Rom



Catullus (Gajus Valerius)



Liebesgedichte Rom An Lesbia

Lass, Mädchen, leben uns und lieben,
Und lachen über das Gebrumm
Der Alten, dies wie wir doch trieben,
Wir geben keinen Deut darum.

Gehn unter auch die Sonnen, kommen
Doch wieder sie mit gleicher Pracht.
Ist unser Lichtlein erst verklommen,
Umstarrt uns ewig dunkle Nacht.

Drum wollen wir beizeiten leben!
O Lesbia, mein Holdchen du!
Komm, magst mir tausend Küsse geben,
Und hundert Küsschen noch dazu.

Schnell immer wieder tausend Küsse,
Schnell hundert Küsschen wieder dann,
Dass niemand ihre Zahl mehr wisse,
Und böser Neid nicht schaden kann.

Catullus (Gajus Valerius), 87 bis 54 v. Chr.
Übersetzer: Gottfried August Bürger, 1747-1794



An den Sperling seiner Lesbia

Sperling, meiner Geliebten Herzenspüppchen,
Den sie streichelt und küsst, mit dem sie tändelt,
Dem den Finger sie reicht, nach dem er lüstern,
Um den Schnabel im Picken dran zu üben,
Wenn mein Holdchen, das süße, so gelaunt ist,
Sich ein Späßchen mit irgend'was zu machen,
Zu vergessen das Schmerzchen, das sie peinigt,
Und, ich wette, den heißen Brand zu kühlen:
Könnt' ich tändeln mit dir, wie sie's gewohnt ist,
Ach! es wär' mir so lieb wie jenem schnellen
Mädchen - weißt du? - der goldene Apfel damals,
Der den Gürtel, den lang gepressten, löste.

Catullus (Gajus Valerius), 87 bis 54 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Klage um den Sperling

Traget Leid, o ihr Liebesgötter alle,
Leid, was lebt und was webt von zarten Seelen,
Ach! gestorben ist meines Mädchens Sperling!
Jener Sperling, die Wonne meines Mädchens,
Den sie mehr als ihr Augenlicht geliebt hat;
Denn er war ja so goldig traut und kannte
Sie so völlig wie ein Kind die Mutter.
Und er rührte sich nicht von ihrem Schoße,
Sondern flatterte umher, bald hier, bald dorthin,
Piept er stetig der Herrin zugewendet -
Jetzt bewegt er sich auf dem düstern Wege
Dahin, wo, wie es heißt noch keiner herkam.
Mög dirs über ergehn, du leidig dunkler
Orcus, der du verschlingst, was schön auf Erden.
Mir mein schönes Geschöpfchen zu entraffen!
O des Frevels! o ärmstes, liebstes Spätzchen!
Deinetwegen entzünden sich die Äuglein
Meines Schätzens, vom Weinen angeschwollen.

Catullus (Gajus Valerius), 87 bis 54 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Horaz (Q. Horatius Flaccus)



An Thaliarch

Im Wintergewande ragt auf zur Höh
Soraktes glänzender Gipfel.
Im Froste erstarrt ruht Fluss nun und See,
Und unter der Last von Eis und Schnee
Beugt traurig die Tanne den Wipfel.

Nun schnell im Kamine dir schüren lass
Die wärmenden flackernden Gluten,
Nun her mit dem freudenspendenden Nass,
Lass brechen aus dem Sabinerfass
Des Weines glühende Fluten!

Und was, Thaliarch, das Herz dir bedrückt,
Das musst du den Göttern vertrauen.
Dem Sturm, der heute die Wälder noch knickt,
Sich morgen keine Lilie mehr bückt -
Drum lass mich dich heiterer schauen.

Und jeglichen Tag als Gunst betracht,
So dir die Himmlischen schenken.
Auf! lustig gescherzt und geliebt und gelacht,
Denn wer in der Jugend nicht alt sich macht,
Wird niemals aufs Kommende denken.

Bald auch mit Flocken bist du bereift
Und winterlich wird dirs im Herzen.
Drum wer noch heute durch Marsfeld schweift,
Muss morgen, wenn Liebe das Herz ihm ergreift.
Schon wieder kosen und scherzen.

Der Liebsten versäume nicht nachzugehn
Zur nächtlich bestimmten Stunde.
Ihr Kichern verrät sie, du wirst sie erspähn,
Nicht kann sies in dämmriger Laube verschmähn,
Dich zu lieben aus Herzensgrunde!

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Richard Zoozmann 1863 - 1934



2. Übersetzung bzw. Nachdichtung:

Siehst du Soracte's Gipfel im hohen Schnee
Erglänzen? Ächzend unter der schweren Last
Hält kaum der Wald noch Stand; die Flüsse
Stehen gebannt von dem Grimm des Frostes.

So schichte reichlich über dem Herd das Holz,
Den Frost zu scheuchen, o Thaliarch, und lass
Vierjähr'gen Wein in vollen Strömen
Aus dem sabinischen Henkel fließen.

Das andre lass die Sorge der Götter sein:
Sobald ihr Nachtwort Stille dem Sturm gebeut,
Dem Wogentürmer, regungslos dann
Stehn die Cypressen und alten Eichen.

Lass ab zu forschen, was dir das Morgen bringt,
Schreib' in's Gewinnbuch jeden vom Schicksal dir
Geschenkten Tag und sei nicht spröde
Gegen den Reigen und Liebesfreuden,

So lang' du, Jüngling, blühst und des Alters Grau
Und Gram nicht kennst. Jetzt eile zum Tummelplatz
Des Spiels, zum Stelldichein, wo holde
Liebe verstohlen zur Nachtzeit flüstert.

Jetzt tönt verrätrisch aus dem Verstecke dort
Des Mädchens Kichern an dein entzücktes Ohr;
Du streifst vom Arm ihr oder Finger,
Sträub' er sich immer, ein Pfand der Liebe.

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Die Rechte Zeit (An Chloe)

Noch so spröde, mein Kind, wie ein junges Zicklein,
Das im wilden Gebirg nach der Mutter meckert
Und bei jedem Geräusche schreckhaft zusammenfährt? -

Kind, ich tu dir nichts: ich bin kein reißender Löwe,
Trenne dich von der Mutter, und komm in mein Stübchen,
Komm, ich lehr dich der Liebe reizendes Spiel,
Komm, du bist grad im rechten alter, mein Schätzchen!

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



2. Übersetzung bzw. Nachdichtung:

Warum fliehst du vor mir, Chloë, dem Rehe gleich
Das im wilden Gebirg' scheu nach der ängstlichen
Mutter sucht und vor jedem
Lufthauch schrickt, der im Wald sich regt?

Seht ein Schauer vom neu wachenden Frühling her
Durch das zitternde Laub, raschelt im Brombeerstrauch
Eine grüne Lacerte,
Gleich erbeben ihm Herz und Knie.

Doch ich folge dir ja nicht mit des Tigers Mut,
Bin kein afrischer Leu, welcher nach Beute lechzt.
Lass doch endlich die Mutter,
Da du reif für die Liebe bist.

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



An Barine

Hätte jemals einer von deinen Schwüren,
Die du brachst, an dir sich gerächt, Barine,
Schwärzte sich ein Zahn und nur einer deiner
Blendenden Nägel -

Ja, dann traut ich. Aber so oft du Falsche
Schwörst bei deinem Haupte, so strahlst du doppelt
Schön, es folgt mit schwärmendem Blicke deinem
Gange die Jugend.

Ja, ein Meineid selbst bei der Mutter Asche,
Bei den Sternen droben am stillen Himmel,
Bei den Göttern, frommt dir, die nie dem kalten
Tode verfallen.

Venus selber lächelt dazu, die guten
Nymphen lächeln, auch der Tyrann Cupido,
Der die schmerzlich brennenden Pfeile stets auf
blutigem Stein wetzt.

Ja, für dich nur reift ja heran die Jugend,
Reift ein neues Sklavengeschlecht; die alten
Drohten zwar, doch keiner verließ das Haus der
Grausamen Herrin.

Müttern graut vor dir um der Söhnlein willen,
Vätern um ihr Gold, und der neuvermählten
Armen Gattin um den Gemahl, der deinem
Zauber sich hingibt.

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



An Lydia

Wenn du, Lydia, Telephus'
Rosenfarbigen Hals, wenn du des Telephus
Schwanenarme mir rühmst -o weh!
Dann schwillt grimmiger Zorn heiß in der Leber mit.

Weder Farbe noch Seelenruh'
Hält dann Stand, und es rinnt über die Wangen mir
Heimlich Ta und verrät die Glut,
Die mit zehrender Qual tief in der Seele brennt.

Heiß durchflammt's mich, wenn wüster Streit
Dir beim Weine den hell schimmernden Hals einmal
Schändet, oder im Liebesrausch
Dir ein Knabe den Zahn tief in die Lippen senkt.

Niemals, glaube dem Warnenden,
Darfst du Treue von dem hoffen, der deinen Mund,
Welchen Venus mit eigenen
Nektars köstlichstem Nass tränkte, so roh entweiht.

Glücklich preis' ich vor allen die,
Deren Band sich als unlöslich bewährt und die
Kein unseliger Hader trennt,
Sondern erst die heranschattende Todesnacht.

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Neuer Bund alter Liebe

Horaz
Als du mir noch gewogen warst,
Und in höherer Gunst keiner die Arme dir
Um den schimmernden Nacken schlang:
Schwelgt' in Wonnen ich, wie Persiens König nicht.

Lydia
Als du noch für die Lydia
Glühtest und ich noch nicht Chloën den Platz geräumt,
Die gefeierte Lydia:
Schwelgt' im Ruhm ich, wie nie Latiums Ilia.

Horaz
Mich beherrscht nun das Thrakerkind
Chloë, leiergeübt, süßen Gesanges voll;
Für sie zagt' ich zu sterben nicht,
Wenn nur ihr das Geschick gnädig das Leben wahrt.

Lydia
Mir hat Calais, Ornytus'
Sohn aus Thurium, Glut, tauschend mit Glut, entfacht;
Für ihn stürb' ich nicht einmal nur,
Wenn nur ihm das Geschick gnädig das Leben wahrt.

Horaz
Doch wenn wieder die Lieb erwacht
und in's eherne Joch neu die Entzweiten spannt?
Wenn an Chloëns, der Blonden, Statt
Meiner Lydia sich wieder die Tür erschließt?

Lydia
Zwar ist schöner als Phöbus er,
Und du leichter als Kork, schneller zum Zorn erregt
Als der Hadria wilde Flut;
Doch will leben ich, will sterben mir dir vereint!

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



An Lyke

Lyke, wohntest du auch fern an des Tanais
Strand, ein scythisches Weib, bräch' es dir doch das Herz,
Wenn ich während des Nordsturmes, der dort zu Haus,
Schmachtend läge vor deiner Tür.

Hörst du nicht, wie von Windstößen die Türe knarrt?
Wie es heult in dem Hain zwischen den herrlichen
Hallen? nicht, wie bei hellleuchtender Luft der Schnee
Eisgehärtet vom Froste knirscht?

Venus zürnt dir ob solch trotziger Sprödigkeit!
Wenn vom Rade das Seil plötzlich herunterschnellt,
Wie dann? Lydischen Stamms, keine Penelope
Bist du, die sich der Freier wehrt.

Beugen Gabe und beugt brünstiges Flehn dich nicht,
Nicht der Liebenden Gram, der ihre Mienen bleicht,
Nicht dein Gatte, der seufzt nach der pierischen
Buhlin - o, so erbarm' dich doch

Deines Sklaven und sei nicht wie die Eiche starr,
Unbarmherziger als maurische Schlangenbrut.
Nicht mag ewig ich hier frieren auf hartem Stein,
Kalt durchschauert von Regenflut.

Horaz (Q. Horatius Flaccus), zwischen 65 bis 8 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Tibull (Albius Tibullus)



Gebet für die Geliebte

Nahe dich hilfreich, Gott mit den wallenden Haaren, und tette,
Rette mein Mädchen mir, Phöbus, aus Siechtum und Not;
Nahe dich schleunig und glaub mir, es wird dich nimmer gereuen,
Dass du dem herrlichen Kind nahtest mit helfender Hand.
Lass nicht bleichenden Schwund die herrlichen Glieder verzehren,
Nicht das entstellende Gelb schänden den reizenden Leib.
Alle die Not, die sie drückt, und alle die Angst, die uns martert,
Treib ein reißender Strom fort ins unendliche Meer.
Komm, o Heil'ger, und bringe mir die Fülle von Tränken
Und von Zaubern, die je krankende Leiber erquickt.
Reiß aus Qualen der Angst den Jüngling, dem für sein Mädchen
Bangt, und der für ihr Heil gerne sein Letztes gelobt.
Zwar nicht immer gelobt er: wenn kränker und schwächer das Mädchen,
Stößt er auch Worte des Zorns gegen die Himmlischen aus.
Lass die Ängste, Cerinthus; der Gott schont liebende Herzen;
Halt an der Liebe nur fest, und die Geliebte genest.
Lass von den Tränen uns spare sie auf für die schlimmeren Fälle,
Wo sie mit düsterem Blick übel gelaunt dich empfängt.
Doch jetzt ist sie ja dein, in dich versenkt sich ihr Sinnen
Völlig; vergeblich erhofft Gunst der Verehrenden Troß.
Hilf denn, Phöbus, und ernte den Ruhm, in einem geheilten
Haupte der Reiter von zwei Seelen geworden zu sein:
Freudvoll wirst du gewahren, wie dir zum Ruhme die beiden,
Glühend von Eifer und Lust, opfert an deinem Altar.
Glücklich darob wird dann dich die Schar der Himmlischen preisen,
Jeder sich wünschen zugleich deine, die heilende, Kunst.

Tibull (Albius Tibullus), um 55 bis 18 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Wünsche für den Geliebten

Schone den Jüngling mir, der du auf Tristen der Feldflur
Oder im Düster des Walds, reißender Eber, verweilst.
Wetze mir nicht zum blutigen Kampf die schrecklichen Hauer.
Amor, wahre den Freund treu mir vor jeder Gefahr.
Aber es reißt ihn Diana dahin zur fröhlichen Jagdluft.
Treffe das Wetter den Wald, treffe die Rüden der Tod!
Welch' ein rasend Beginnen, die Wildnis droben am Berghang
Rings zu umspannen, bis dass blutend erschlaffe die Hand?
Welch' ein Vergnügen, in Höhlen das arglose Wild zu beschleichen,
Dass an Dorn und Gestrüpp blutig der Schenkel sich ritzt?
Und doch, wär's mir vergönnt, mit dir, Cerinthus, zu schweifen,
Trüg' über Berg und Tal gern ich die Netze dir nach.
Ja, ich würde die Fährten des flüchtigen Hirsches verfolgen,
Würde vom Halse des Hunds lösen den eisernen Ring.
Dann erst wäre der Wald mir lieb, wenn tadelnd man sagte,
Dass vor den Netzen ich dir, Teurer, im Arme geruht.
Käme dann auch ein Eber in's Garn, wir ließen ihn laufen,
Denn er störte die Luft, die uns so stürmisch vereint.
Nun, da du fern, bleib' Venus auch fern; du pflege Dianens
Keusches Gebot und keusch nimm ihre Netze zur Hand.
Sollt' ein anderes Mädchen dir heimlich in's Herze sich drängen,
Sei der zerfleischende Zahn hungrigen Wildes ihr Loos.
Doch du lasse dem Vater die Luft, im Walde zu jagen.
Komm, rasch kehre zurück an mein verlangendes Herz.

Tibull (Albius Tibullus), um 55 bis 18 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



alte römische Liebesgedichte


Properz (Sextus Propertius)



Cynthia auf dem Lande

Ungern ließ ich dich zwar von Rom, o Cynthia, scheiden,
Doch jetzt weiß ich dich gern sicher im Schoße des Lands.
Denn dort naht kein junger Verführer dem züchtigen Mädchen,
Der mit berückendem Laut schmeichelnd die Unschuld bedroht.

Auch kein Streit und Lärm wird unter dem Fenster entstehen
Und kein Rufen nach dir, das dir den Schlummer vergällt.
Einsam wirst du den Zug der einsamen Berge betrachten,
Ringsum kleinen Besitz, grasende Herden darauf.

Aber kein Schauspiel kann dir böse Gedanken erwecken,
Und kein Tempelbesuch bringt dich, wie oft schon, zu Fall.
Dort siehst du nur pflügende Stiere die schollen zerteilen,
Und wie der Rebe Gelock kundig der Winzer verkürzt.

Spärlichen Weihrauch wirst du der schmucklos schlichten Kapelle
Spenden, wo bloß ein Bock blutet am ländlichen Herd.
Bald auch wirst du zum Reigen die zierlichen Waden entblößen
(Nur vor dem Eindringling wünscht ich dich sichergestellt).

Ich will jagen; ich fühle den Trieb, als Jünger Dianens
Dienst mich zu weihn, und zugleich zahl ich der Venus die Schuld.
Ja, ich geh auf die Pirsch und häng auf die Zweige der Fichte
Edelgeweih; zur Hatz nehm ich den mutigen Hund.

Nicht zwar, dass ich es wagte, den mächtigen Leu zu bestehen
Oder der wütenden Sau zünftig zu Leibe zu gehn.
Nein, ich getraue mich bloß, auf furchtsame Hasen zu fahnden
Oder mit schwirrendem Pfeil Vögel zu treffen im Hain;

Wo Clitumnus sich selber die leuchtenden Wasser beschatten
Und die Herden sich weiß baden im heiligen Strom.
Denke, mein Leben, so oft dich kühne Gedanken beschleichen:
"Wenige Morgen und schon - ist er ja wieder bei mir."

Sieh, so hindern mich nicht die einsam starrenden Wälder,
Noch der Bergstrom Sturz über bemoostes Gestein,
Dass ich nicht immer und immer mit wechselndem Namen dich nenne,
Nenne, damit in der Fern keiner ein Leides dir tu.

Properz (Sextus Propertius), um 45 bis 16 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



An Cynthia während eines Sturmes

Ja, mir geschieht nach Verdienst! Wie konnt ich mich trennen vom Liebchen!
Meine Gesellschaft sind einsame Möwen zur Zeit.
Schwerlich vermag mein Kiel Cassiopes Bucht zu erreichen,
Allen Gelübden zum Trotz höhnt uns der tückische Strand.

Dir sind, Cynthia, weilst du auch fern, die Winde zu Willen.
Schrecklich im Heulen droht - hörst du? - der rasende Sturm.
Lächelt mir nimmer der Blick des zur Ruhe gebetteten Meeres?
Soll denn der Strand am Gestad bergen den modernden Leib?

Nein! wenn anders du willst dein Zürnen in Milde verwandeln,
Lass es genügen am Sturm auf dem entfesselten Meer.
Oder ertrügst dus, trockenen Auges des Liebsten zu denken,
Dessen Reste du nicht drücktest ans zärtliche Herz?

Fluch und Verderben dem Mann, der Kiel und Segel erfunden,
Der, als erster, die See trotz ihres Sträubens befuhr!
Hätt ich nicht besser getan, die Launen der Herrin zu tragen
- Hart zwar war sie, allein wieder so einzig zugleich -

Als in die Wildnis zu starren des düstern bewaldeten Ufers
Und das Zwillingsgestirn heißen Gebets zu erflehn?
Hätt ich zu Rom ein Grab für mich und die Schmerzen gefunden,
Ragte zu Rom ein Stein über des Liebenden Gruft -

O, sie hätte gewiss ihr Haar dem Toten gespendet,
Hätte den Aschenkrug mitten in Rosen gesetzt,
Hätte noch scheidend am Grab den Namen des Teuren gerufen,
Dass sich erträglich und leicht über mir wölbe die Gruft.

Ihr denn, Töchter der Flut, ihr Kinder der reizenden Doris,
Schlinget den Reihn um das Schiff, helft ihm zur glücklichen Fahrt.
Wenn einst Amor im Flug auch eure Tiefen besucht hat,
Schont des Genossen und lasst sichere Buchten ihn sehn.

Properz (Sextus Propertius), um 45 bis 16 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Verzicht

Weg mit dem falschen Vertraun auf deine Schönheit, o Mädchen!
Meinem geblendetem Aug dankst du es, dass du so stolz.
Bloß mein Lieben verlieh dir, in solchen Reizen zu prangen,
Herrlich schuf dich allein - und ich bereu es - mein Lied.
Sang ich doch oft, wie in dir sich verschiedene Reize vereinen,
Aber es war nur Schein, Liebe nur glaubt es zu sehn.
Auch die Farbe verglich ich so oft dem rosigen Frührot,
Jene Farbe, die dir künstliche Schminke verlieh.
Mahnende Freunde versuchten, vom Wahn mich zu heilen - vergebens!
Selbst mit des Ozeans Flut hätt ihn kein Zauber getilgt.
Nicht durch Feuer und Eisen erpresst war, was ich bekannte:
Ja, das Ägäische Meer hört es beim wildesten Sturm.
Um mich leckten und glühten bisher die Flammen der Venus;
Kraftlos den Rücken herab hingen die Hände geschnürt.
Jetzt bin ich glücklich im Hafen, das Schiff trägt Kränze, die Klippen
Sind mir im Rücken, und schon haftet der Anker im Grund.
Jetzt erst, matt und erschöpft von der Drangsal, samml' ich mir wieder
Kraft und Verstand, und geheilt schließen die Wunden sich zu.
Göttin Vernunft, wo ist dein Tempel? ich will ihn bekränzen;
Taub schloss Jupiter ja meinen Gelübden das Ohr.

Properz (Sextus Propertius), um 45 bis 16 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



Erhörung

Nicht so jubelnd begrüßte den griechischen Sieg der Atride,
Als der Laomedon Burg endlich, die mächtige, fiel;
Nicht so jauchzte das Herz des Ulyss am Ziele der Irrfahrt,
Als er Dulichia's Strand, den so ersehnten, betrat;
Nicht Electra, da lebend die Schwester den Bruder erblickte,
Dessen vermeintes Gebein kaum noch ihr Auge bethaut;
Nicht Ariadne, da heil sie den Theseus wieder gewahrte,
Den ihr Faden gelenkt durch das Dädalische Haus -
Als ich selber in Wonne geschwelt die vorige Nacht durch.
Noch eine zweite wie sie - und die Unsterblichkeit winkt!
Früher, so lang' ich das Haupt ließ sinken und zagend einherschlich,
Hieß ich erbärmlicher ihr als ein vertrockneter Teich.
Jetzt jedoch hat sie verlernt, sich spröd' und stolz zu gebärden
Und für Klagen und Flehn taub und verschlossen zu sein.
Hätt' ich doch nicht erst spät die richtigen Mittel erfahren!
Auf den Verschmachteten erst träufelt der heilende Trank.
Blind war ich! sonst sah ich ja leuchten die rettenden Pfade!
Ach! wen Liebe betört, dem ist das Auge verhängt!
Jetzt erst weiß ich, was frommt: Stellt kalt euch, die ihr verliebt seid!
Die euch gestern verwies, naht sich dann heute von selbst.
Andre pochten umsonst und riefen den Namen des Mädchens;
Aber auf mich allein senkte sie schmachtend das Haupt.
Dieser Triumph gilt mehr, als wenn ich die Parther bezwungen;
Könige, prunkender Zug, Beute - was brauch' ich sie noch?
Köstlicher Schmuck soll jetzt, Cythere, die Säule dir kränzen,
Unter den Namen gesetzt prange der folgende Spruch:
"Diese Trophäen errichtet vor deinem Tempel, o Göttin,
Für die Wonnen der Nacht, die er genossen, Properz."
Jetzt enteile zu dir, o Lieb, mein Schiff aus der Brandung,
Mög' es, beschwert, nicht mehr scheitern in wogender See.
Wendest du aber den Sinn von mir in frevelndem Treubruch,
Vor deiner Schwelle sodann bett' ich das sterbende Haupt.

Properz (Sextus Propertius), um 45 bis 16 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902






An einen Freund

"Reiße dich los!" so dacht' ich, "und teile mir keiner das Bett mehr."
Kaum ist fertig der Pakt, bricht mir ihn Amor, der Schalk.
Frag' ich, warum solch reizend Gebild auf Erden verweile,
Dann wird, Jupiter, dein heimliches Buhlen mir klar.
Dunkleres Blond ihr Haar, die Hände von länglicher Bildung,
Hoch die Gestalt; die wallt, würdig der Juno, einher,
Oder der Pallas, die ihrem Altar in Munychia zuwallt,
Gorgo's Schlangengelock auf der gepanzerten Brust.
Herrlicher war Ischomache nicht, das lapithische Mädchen,
Die als willkommenes Gut trunkne Centauren geraubt,
Brimo nicht, die saikische Göttin, als an den Fluten
Böbe's die hehre Gestalt ruht' an der Seite Mercurs.
Ihr selbst stehet zurück, ihr Himmlischen, die auf dem Ida
O, dass diese Gestalt kein Makel des Alters entstellte,
Zählte sie auch so viel Jahre, Sibylle, wie du!

Properz (Sextus Propertius), um 45 bis 16 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



An Cynthia

Hier in der Einsamkeit, wo in Schweigen die Klage begraben,
Wo nur der Zephyr streicht durch den verlassenden Wald,
Hier kann laut und getrost ich die wühlenden Schmerzen verkünden,
Wenn das Geheimnis der Fels wahrt in verschwiegener Brust.
Wo nur such' ich den Grund, o Stolze, des kalten Gebarens?
Welches mich drückende Leid, Cynthia, klag' ich zuerst?
Eben noch zählte man mich zu den glücklich liebenden Seelen;
Jetzt zum Tempel des Glücks stäupst du mich Armen heraus!
Sag', was verbrach ich? wie heißt die Schuld, die der Liebe denStoß gab?
Wär's ein Liebchen, das neu, dir zum Verdruss, ich erkor?
Wärst du so sicher mir hold, als nie noch ein andres Mädchen
Kam mit dem niedlichen Fuß über die Schwelle zu mir!
Hab' ich auch bitteres Leid um deinetwillen erduldet,
Wird doch niemals so heiß lodern mein Rachegefühl,
Dass ich Tränen der Wut, nie endender Wut, dir entlockte,
Die mit entstellendem Rot färbten dein leuchtendes Aug'.
Hab' ich dir wohl je Zeichen verlöschender Gluten gegeben?
Zeugt mein ehrlich Gesicht nicht von der Treue der Brust?
Wohl: so zeuge denn du (wenn jemals liebten die Bäume),
Buche, zeuge denn du, Fichte, Geliebte des Pan,
Wie so oft ich geseufzt in eurem bergenden Schatten,
Eurer Rinde so oft Cynthia's Namen vertraut.
Ach! die zehrenden Sorgen, die mir dein launisches Wesen
Schuf, zu erzählen, das weiß bloß die verschwiegene Tür.
All dein herrisches Wesen - ich hab' es in Ängsten getragen,
Niemals klagt' ich den Schmerz laut im erlösenden Wort.
Und mein Lohn? Durch waldige Berge, durch starrende Felsen
Irr' ich und bette mich hart auf dem verwachsenen Pfad.
Will ich vor lebenden Wesen den Strom der Klagen ergießen,
Ist es der zwitschernde Chor, der mit dem Einsamen weilt.
Allem zum Trotze jedoch soll stets dein Name, Geliebte,
Hallen im Echo des Walds, hallen am einsamen Fels.

Properz (Sextus Propertius), um 45 bis 16 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902



An Cynthia in Bajä

Während du, Cynthia, weilst im Schoße des lieblichen Bajä
- Da, wo Hercules einst wandelte längs dem Gestad' -
Und dein Auge sich weidet am Blau des neptunischen Reiches,
Jener gefeierten Flut, welche Misenum bespült -
Denkst du wohl in der Stille der Nacht des fernen Geliebten?
Hat dein Herz noch für ihn irgend ein Plätzchen gespart?
Oder hat frevelnd ein andrer mit trügender Liebesbeteurung
Mir dein Herz und dich meinen Gedichten geraubt?
Mögest du dort, auf eigene Kunst im Rudern vertrauend,
Schaukeln im niedlichen Kahn auf der lucrinischen Flut,
Oder auch einsam baden in Teuthra's bescheidenen Wellen
Und mit wechselnder Hand teilen das weichende Nass,
Statt dass behaglich du lägest am schweigenden Rand und es raunte
Zärtliches Liebesgegirr dir ein Verführer ins's Ohr.
Ach! es fallen so leicht ja die Mädchen, der Obhut enthoben,
Und vergessen die Treu' und den gemeinsamen Schwur!
Zürne mir nicht, wohl kenn' ich dich ja als bewährt in der Treue;
Aber, wenn ferne das Lieb, fürchtet die Liebe ja stets.
Hab' ich dir also wehe getan durch dieses Geständnis,
O, so verziehe, die Angst trägt die alleinige Schuld.
Ach! nicht sorg' ich ja mehr um das Haupt der zärtlichen Mutter,
Selbst mein Leben verliert ohne dich jeglichen Reiz.
Du bist einzig mein Heim, du, Cynthia, Vater und Mutter,
Alles, was Freude mir macht, gipfelt in deinem Besitz.
Zeig' ich den Freunden ein heitres Gesicht, ist düster die Stirne,
Immer bekenn' ich mit Fug: Cynthia hat es getan.
Komm denn schleunig und kehre dem schlüpfrigen Bajä den Rücken,
Oft schon hat jenes Gestad' zärtliche Bande gelöst,
Jenes Gestade schon oft der Keuschheit Atem vergiftet.
Fluch den Quellen! es zeiht Liebe sie schnöden Verrats!

Properz (Sextus Propertius), um 45 bis 16 v. Chr.
Übersetzer: Jacob Achilles Mähly, 1828-1902