Frankreich



Francois Rabelais



Rondolett

Das eine Mal, da ich dich, schönste Frau, um Gunst der Liebe bat,
Warst du so grausam, hoffnungslos mich fortzujagen,
Als ob ich je durch Worte, durch Betragen gekränkt dich hätte.
Sag, warum so rau? Missfiel dir meine Liebe, schönste Frau,
Weshalb nicht sprachst du (Weiber sind doch schlau):
"Nicht jetzt mein Freund, wir müssen noch vertragen das eine Mal!"

Nicht weh will ich dir tun! ins Herz mir schau:
Es stöhnt, weil deiner Glieder Götterbau die Ruh ihm stielt!
Wie sollt es auch nicht klagen? Ich will ja nichts von dir,
Lass es mich sagen, als dass du reißt mich aus der Liebe Klau
Das eine Mal!

Francois Rabelais, 1483-1553
Übersetzer: Fedinand Adolph Gelbcke, 1812-1892



Pierre-Jean de Beranger



Wie schön ist sie!

Ihr Götter, o wie schön ist sie,
Die stets von mir geliebt wird sein!
Ihr Auge, voll Melancholie,
Verführt zu süßen Träumerei'n.
Den schönsten Hauch des Lebens lieh
Der Himmel dieser holden Maid.
Ihr Götter, o wie schön ist sie!
Und ich, - welch' Bild von Hässlichkeit!

Ihr Götter, o wie schön ist sie!
Sie schmückt die Welt kaum zwanzig Jahr,
Ihr Körper atmet Poesie,
Ihr Mund ist frisch und blond ihr Haar.
In ihres süßen Leibs Magie
Scheint sie allein nicht eingeweiht.
Ihr Götter, o wie schön ist sie!
Und ich, - welch' Bild von Hässlichkeit!

Ihr Götter, o wie schön ist sie!
Und doch ist sie mir wohlgeneigt.
Wohl längst hat meine Phantasie
Des Weibes Zauber mir gezeigt,
Doch eh' ich sank vor ihr auf's Knie,
Wußt' ich im Lieben schlecht Bescheid.
Ihr Götter, o wie schön ist sie!
Und ich, - welch' Bild von Hässlichkeit!

Ihr Götter, o wie schön ist sie! - -
Und du bleibst ewig meine Wahl,
Dein Kranz deckt meine Stirne, die
Noch jung, doch früh durch Sorgen kahl.
Hinweg den letzten Schleier zieh',
Zeig' mir des Glücks Vollkommenheit! - -
Ihr Götter, o wie schön ist sie!
Und ich, - welch' Bild von Hässlichkeit!

Pierre-Jean de Beranger, 1780-1857
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Das Glück

Poch, poch! Wer klopft dort außen? -
Poch, poch! Geliebte, du? -
Poch, poch! Das Glück steht draußen. -
Poch, poch! Die Tür bleibt zu! -

Wir wollen heut uns keinesfalls
Mit anderm, als mit Wein befassen.
Nur Liebchen wird hereingelassen,
Fortuna bleibe uns vom Hals.

Zwar sie verspricht uns viel Prosit,
Füllt gern mit Golde schwer die Taschen. -
Doch sind noch lang' nicht leer die Flaschen,
Und unser Wirt gewährt Kredit.

Sie will mit Perl' und Steinen gar
Uns heut nach altem Brauch noch schmücken. -
Soll dieser Tand uns auch noch drücken,
Da uns der Rock schon lästig war?

Sie bringt uns Titel, Orden her. -
Ein jeder Narr, gewiss! braucht Orden.
Das ist so sehr gemissbraucht worden,
Wir tragen nicht danach Begehr.

Wir folgen nicht, wenn sie uns winkt.
Jetzt will sie uns zum Äther tragen,
Sie wird zurück uns später jagen,
Wie ihre Laune das bedingt.

Bei ihr war Treubruch immer Brauch,
Wem könnten solche Sparren passen!
Und wollen wir uns narren lassen, -
Nun: uns're Mädchen können's auch.

Poch, poch! Es klopft von außen! -
Poch, poch! Geliebte, du? -
Poch, poch! Das Glück steht draußen. -
Poch, poch! Die Tür bleibt zu!

Pierre-Jean de Beranger, 1780-1857
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Die Barchantin

Geliebter, ich willfahre dir!
Komm, komm, und neue Freuden plane!
Es wirkt der wilde Sekt in mir,
Die Liebe wächst zu süßem Wahne.
Reich' mir das Freudengift,
Doch sollst auch du es nehmen!
Müsst' mich des Rausches schämen,
Wenn er dich nüchtern trifft.

Glänzt nicht mein Auge wunderbar?
Heiß rollt das Blut durch meine Glieder.
Sieh! Blumen lösen sich vom Haar,
Mein Kranz fällt auf dein Lager nieder.
Das Glas zerbrach! - Vorbei!
Mein Busen lechzt nach Küssen.
Soll ich sie länger missen?
Komm, und die Luft gib frei!

Hemmt deine Küsse dieser Putz?
Dich soll ein größ'rer Reiz ergreifen!
Knüpf' auf das Band. - Was soll der Schutz?
Ich zitt're nicht, ihn abzustreifen.
Der Glieder nackte Pracht
Sei ganz dir überlassen - - -
Will dich die Glut nicht fassen,
Die du in mir entfacht?

Bezwing' die Mattigkeit in dir!
Komm, ich will selbst den Feind bekämpfen.
- Wie kalt dein Kuss! - Trink' nicht! lass mir
Die Tropfen, die dein Feuer dämpfen.
Und meine Leidenschaft,
Die du nicht kannst besiegen, -
Wie sie dem Wein entstiegen,
Verlösch' im selben Saft.

Pierre-Jean de Beranger, 1780-1857
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Hymens Weihe

Zwei, die zur Kammer zieh'n,
Will Hymen heut empfangen.
Rings schwirren Melodien,
Wie niemals süß're klangen.

Ein Spalt erlaubt uns, traun!
Die Szene aufzufangen:
Sie ist voll Reiz zu schau'n,
Er zähmt kaum sein Verlangen.

Noch sucht sie zu entfliehn
Und sträubt sich beim Umfangen,
Er lässt den Schatz nicht zieh'n
Und hält sie wie mit Zangen.

Er löst ihr das Gewand,
Und sie erfasst ein Bangen.
Schon triumphiert der Fant,
Bald gibt sie sich gefangen.

Doch eh' die Wünsche, die
Er hegt, ihr Ziel errangen,
entschlüpft dem Lager sie, -
Der Fang ist ihm entgangen.

Halt! Er erhascht sie schon,
Sie lässt das Köpfchen hangen,
Bis endlich Fleh'n und Droh'n
die schöne doch bezwangen.

Nun brummt er einen Fluch.
Und - was auch vorgegangen:
Der Ehe seltsam' Buch
Hat jetzt erst angefangen!

Pierre-Jean de Beranger, 1780-1857
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Marceline Desbordes-Valmore



Das erlaubte Geständnis

Komm her, mein Freund! Zu herb bin ich gewesen.
Mama erlaubt's: ich tu' dir etwas kund.
Doch ach! ich bring's nicht fertig. - Kannst du lesen?
Mama erlaubt's, - prüf' meiner Augen Grund!

Wie bin ich wirr! Gesenkt sind ja die Lider.
Mein Antlitz flammt, - so schäm' ich mich vor dir!
Mama erlaubt's, das schlägt die Skrupeln nieder:
Fühl' meine Glut, fühl' nach dem Herzen mir!

Du Ärmster, ahnst noch immer nicht die Kunde?
Es ist so süß! Hilft dir mein Herz nicht fort?
Du findest's nicht. So nimm's von meinem Munde!
Die Augen schließ' ich, - nimm, und sprich kein Wort.

Marceline Desbordes-Valmore, 1786-1859
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Erste Liebe

Ob er noch denkt an jene Mädchenblüte,
Die bang und züchtig einst vor ihm erschien?
Sie fühlte in noch kindlichem Gemüte,
Dass sie doch nur geschaffen war für ihn.

Nicht Schwüre gab es, noch Beteuerungen,
Sie war zu jung, dass ihr ein Zweifel kam.
Die Liebe war der reinsten Brust entsprungen,
Sie gab sich ohne Kampf ihm, ohne Scham.

Und er verließ sie, den ihr Herz erkoren.
Und rasch verglomm des ros'gen Glückes Licht!
Wohl längst ging ihre Blütezeit verloren, -
Von ihrer ersten Liebe lässt sie nicht.

Marceline Desbordes-Valmore, 1786-1859
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Victor Hugo



An die Geliebte

Wenn es einen Rasen gibt,
Dessen Quellen lachen,
Dessen Schmelz kein Wetter trübt,
Welchen bunt bedachen
Lilien, Geißblatt und Jasmin,
Die zu jeder Jahreszeit blühn:
O, so will zum Pfad ich ihn
Deinem Fuße machen.

Wenn es einen Busen gibt,
Einen kühnen, wachen,
Dessen Liebe, wenn er liebt,
Kennet kein Erschwachen,
Wenn er warm und voll Gefühl,
Niemals falsch und niemals kühl:
Ei, so will ich ihn zum Pfühl
Deiner Stirne machen.

Gibt es einen Liebestraum,
Einen ohn' Erwachen,
Drin sich wie des Baches Schaum
Leise wiegt der Nachen,
Gern die Seele wiegen lässt,
Einen Traum, für Gott ein Fest:
O, so will ich ihn zum Nest
Deinem Herzen machen.

Victor Hugo, 1802-1885
Übersetzer: Ferdinand Freiligrath, 1810-1876



Ständchen

Es tagt, und nur dein Haus umnachten
Die Läden noch! Warum noch ruh'n?
Die Rosen alle schon erwachten, -
Willst du denn nicht ein Gleiches tun?
O hör', du Süße,
Den Liebsten hier!
Er jubelt Grüße
Und fleht zu dir!

Aufmunt'rer nah'n in schönem Gliede. -
Das Frührot ruft: Der Tag ist nah!
Das Vöglein ruft: Dein harrt der Friede!
Laut ruft mein Herz: Die Lieb' ist da!

O hör', du Süße,
Den Liebsten hier!
Er jubelt Grüße
Und fleht zu dir!

Dir, Göttin, sei mein Heil verschrieben!
Dich für' ich, Lieblichste der Frau'n! -
Gott schuf mein Herz nur, dich zu lieben,
Mein Auge, deinen Reiz zu schau'n.
O hör', du Süße,
Den Liebsten hier!
Er jubelt Grüße
Und fleht zu dir!

Victor Hugo, 1802-1885
Übersetzer: Ferdinand Freiligrath, 1810-1876



Lass uns fliehn ...

Lass uns fliehn in's Reich der Träume.
Wie du lockst, entführ' ich dich!
Hier zwei Zelter, die ich zäume.
Vöglein grüßen dich und mich.

Ich - dein Herr und deine Beute!
Komm, bald bricht die Nacht herein.
"Frohsinn" soll mein Renner heute,
Deiner soll "die Liebe" sein.

Eine Reise voll Genüsse!
Seit' an Seite trabt das Paar,
Statt des Hafers biet' ich Küsse
Unsern beiden Rösslein dar.

Wie sie stampfend vorwärts drängen!
Und schon seh' ich beide weit:
Meins das Tor der Sehnsucht sprengen,
Deins das Tor der Seeligkeit.

Etwas muss man mit sich tragen, -
Lieb war uns des Bündels Druck:
Recht viel Wünsche, einige Klagen
Und all' deiner Reize Schmuck.

Wie die frechen Spatzen höhnen!
Denn sie hören ganz genau
Meines Herzens Ketten tönen,
Die du wandelst still und schlau.

Braune Nacht umarmt die Eichen.
Und aus Buschwerk und Gesträuch
Tuschelt's mit geheimen Zeichen
Uns entgegen: Liebet euch!

Tief im Wald, im nächtlich feuchten, -
Komm! Sei lieb! Mich fasst ein Rausch.
Folg' dem Trieb, dem aufgescheuchten,
Komm zu süßem Wonnetausch.

Und es hält mit Klageliedern
Nachtigall vor Staunen ein.
Kirschen mit den weißen Gliedern
Tauchen auf und kichern fein.

Und sie wispern zu einander:
"Wir sind närrisch! Während dort
Hero lehnet an Leander,
Rinnt uns unser Bächlein fort."

Doch dem Sonnenland entgegen
Lustig weiter ziehen wir,
Und die Liebe bringt uns Segen:
Mir den Ruhm, den Reichtum dir.

Uns're Zauberrosse tragen
Uns empor zum Wolkenzelt,
Ins Gebiet uralter Sagen,
In die weite Flimmerwelt.

Gönnt ein Gasthaus wo uns Muse,
Zahlen wir für's kurze Glück:
Ich mit meinem Schülergruße,
Du mit deinem Mädchenblick.

Also sind wir zwei ein Pärchen;
Ich der Graf, die Herrin du!
Komm! wir raunen unser Märchen
Heute noch den Sternen zu.

Victor Hugo, 1802-1885
Übersetzer: Ferdinand Freiligrath, 1810-1876



"Puisque iei bas ..."

Wie jedes Seelenleben
Im Schöpfungsdrang
Strebt andern hinzugeben
Duft, Farbe, Klang -

Und wie im Zorn und Güte
Nach jedes Art
Der Dorn hier, dort die Blüte
Sich offenbart -

Wie Wind am Frühlingsmorgen
Durch Eichen streicht -
Und wie die Nacht den Sorgen
Den Schlaftrunk reicht -

Und wie der Vogel Lieder
Den Zweigen schenkt -
Wie auf die Saaten nieder
Der Tau sich senkt -

Wie selbst die kühle Welle
Das Ufer küsst,
Da es zur Ruhestelle
Ihr worden ist:

So geb' ich dir zur Stunde
Als Eigengut
Was mir im tiefsten Grunde
Der Seele ruht.

Empfang' die Liebesgrüße,
Die trüb sind, schau'!
Und dich benetzen, Süße,
Mit Tränentau.

All' meines Strebens Wonne
Sei dir geweiht,
All' meines Lebens Sonne
Und Düsterheit -

Der heiße Rausch im ringen
Um deine Gunst -
Das Klingen und das Singen
All' meiner Kunst -

Mein Herz, das frei und offen
Nach Edlem drängt,
Das zwischen Tod und Hoffen
An deinem hängt -

Mein Lied, das dein Erscheinen
Zu träumen meint,
Das, wenn du weinst, muss weinen
Und häufig weint!

Nimm, die in Lebensfluten
Mir strahlt als Stern
All meiner Liebesgluten
Urtiefen Kern!

Victor Hugo, 1802-1885
Übersetzer: Ferdinand Freiligrath, 1810-1876



Alfred de Musset



An eine Blume

Du liebliches Erinn'rungszeichen,
O Blümelein, was willst du hier?
Du, Gunst noch werbend im Erbleichen!
Sag' an, wer sendet dich zu mir?

Gar weiten Weg bist du gekommen,
Vom Stummen Siegel wohl verwahrt.
Hat dir wohl etwas offenbart
Die Hand, die dich vom Strauch genommen?

Bist du zum Welken nur Entsprossen
Wie deiner Schwestern große Zahl?
Erblüht dein Kelch wohl noch einmal,
Und hält er Sinniges umschlossen?

Ich seh' in deiner Blüte Weiß
Die Unschuld glückversagend blinken,
Doch seh' ich scheu die Hoffnung winken
Aus deinem grünen Blätterkreis.

Bist du ein Sendling? Gib dich freier!
Vertrau'! Ich weiß zu schweigen auch.
Ist eine Sprache dieser Hauch?
Ist diese Grün vielleicht ein Schleier?

Wenn ich's erriet, so raun' mirs zu,
Du Botin, du geheimnisvolle!
Wenn nicht, - an meinem Herzen ruh'
Und wahre deine stumme Rolle!

Ich kenne wohl die kleine Hand,
An Launen reich und reich an Gnaden,
Die deinen bleichen Kelch umwand
Mit silberfeinem Seidenfaden.

O diese Hand! Wer fände schnell
Nur eine zweite, ihr vergleichbar?
Und gälte Venus als Modell,
Kaum einem Phidias wär's erreichbar.

Die Hand, geschickt zu tausend Dingen
Ist schön und edel, weiß und weich.
Wer einst versteht, sie zu erringen,
Den macht sie glücklich, macht sie reich.

Doch sie ist klug und streng in Pflichten!
Mir sei genug, was ich erfuhr.
Sie soll uns nicht im Zorne richten:
Still, Blümchen! Lass mich träumen nur.

Alfred de Musset, 1810-1857
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



An Pepita

Pepita, wenn die Sonne scheidet
Und Mutter spricht : Geh, es ist spät !
Und du im Stübchen, halb entkleidet,
Still hersagst noch dein Nachtgebet -

Zur Stunde wo du Leid und Sehnen
Der milden Trödst'rin Nacht vertraust -
Wo du entwirrst des Haares Strähnen
Und bang' nach einem Späher schaust -

Wenn rings vom Schlummer schon empfangen
Die Eltern und Geschwister sind:
Pepita, Maid mit glüh'nden Wangen,
Woran dann denkst du wohl, mein Kind?

An eine Heldin die verkläret
Ihr großes Elend überragt, -
An alles was ein Traum gewähret
Und was die Wirklichkeit versagt, -

An einen Schatz von goldnen Münzen -
An ein geblümtes Seidenstück -
Vielleicht an einen Märchenprinzen -
An Zuckerzeug - an Mutterglück -

An Schwüre, die du einst verstohlen
Erlauschtest, strahlenden Gesichts -
An einen Tanz auf flücht'gen Sohlen -
Vielleicht an mich - vielleicht an nichts?!

Alfred de Musset, 1810-1857
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



An Dinon

Wenn ich euch sagte, was ich für euch fühle,
Blauäugig Weib, was sagtet ihr? Wer weiß!
Ihr kennt des Liebesschmerzes dumpfe Schwüle,
Die Pein, als ob ein Geist das Hirn zerwühle, -
Ihr gäbt vielleicht mich dennoch zürnend preis.

Wenn ich euch sagte, wie seit langen Wochen
Wahnsinn'ge Sehnsucht meine Qual verstärkt, -
Ninon, ihr dürf't auf eure Schlauheit pochen,
Ihr ratet, was noch gar nicht ausgesprochen, -
Und riefet kühn vielleicht: Ich hab's bemerkt!

Wenn ich euch sagte, dass ich wie ein Schatten
Mich an euch hefte in der Liebe Licht, -
Ihr wisst, wie gut euch Schwermut kommt zu statten.
Und eurem Blick ein schmerzliches Ermatten, -
Ein Seufzer rief' vielleicht, ihr glaubt es nicht.

Wenn ich euch sagte, wie mir lieb und teuer
Von euren Lippen das geringste Wort, -
Wer nicht vor euch in Ehrfurcht steht, in scheuer,
Den trifft aus eurem Aug' des Blitzes Feuer, -
Ihr wieset mich vielleicht streng von euch fort.

Wenn ich euch sagte, wie mir Tränen fließen,
Wie Nacht für Nacht mich Eifersucht beschleicht, -
Mag euer Mund ein Lächeln nur erschließen,
So glauben Falter, dass dort Blumen sprießen,
Ihr wisst's - und lachet über mich vielleicht.

Allein ich sag' euch nichts! Mir soll's genügen,
Mit euch zu plaudern bei der Lampe Schein.
Ich schwelg' in euren Worten, euren Zügen, -
Und mögt ihr's ahnen, es bespötteln, rügen,
Gleich wonnig wird mir euer Anblick sein.

Ich träumte mir ein Reich von Wunderdingen:
Wenn ich euch abends am Piano schau',
Dann hör' ich eure Zauberhände singen, -
Und darf ich euch im Walzerwirbel schwingen,
Ist mir's, als hielt' ich die besiegte Frau.

Und nachts, wenn ich zu scheiden bin gezwungen,
Stürz' ich nach Haus und schieb' den Riegel vor, -
Der Schatz, den zu erhaschen mit gelungen,
Ein Duft der süßesten Erinnerungen
Quillt aus dem Herzen ungehemmt empor.

Ich liebe, doch ich weiß mich zu bezähmen.
Ich liebe, - keinem sei es kundgetan.
Mein Leid ist groß, doch lass ich mir's nicht nehmen.
Ich liebe, wunschlos - nichts als einen Schemen,
Und bin doch glücklich, denn ich darf euch nah'n.

Nicht meines Bleibens ist im Glück-Asyle,
Ich darf nicht um euch werben, kühn und heiß,
Nicht sterben auf dem wonnesamsten Pfühle. - -
Wenn ich euch sagte, was ich für euch fühle,
Blauäugig Weib, was sagtet ihr? - Wer weiß! ...

Alfred de Musset, 1810-1857
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Theophile Gautier



Zur Zeit der Rebesblüte

In Blüte steh'n die Reben.
Heut wird' ich zwanzig Jahr!
wie schön ist doch das Leben, -
Es schäumt wie Most, den eben
Die Kelter frisch gebar.

Mich stacheln Hochgefühle, -
Sehnsucht und Tatendrang!
O lab' mich, Abendkühle!
Der Rebenduft, der schwüle,
Betäubt wie Zaubertrank.

Die Welt ist zum berücken!
Ach, hätt' ich nur den Mut,
Ich wollte voll Entzücken
Gleich jemand an mich drücken,
Und wär's ein junges Blut!

Just wie das Reh, das bange,
Flieh' ich zur Waldesnacht.
Mir glühen Stirn und Wange, -
Ich tilg' im Überschwange
Die ganze Brombeerpracht.

Da fühlt mein Mund so eigen,
Dass fremdes ihn durchzuckt',
Als wollt' aus Blütenzweige
Ein Rosenmund sich neigen
Zu süßem Lippendruck.

O Rausch! O Heimatsegen!
O Land voll Licht und Wein!
Welch' Blühen allerwegen!
Ich spür' ein seltsam Regen, -
Soll das die Liebe sein? ...

Theophile Gautier, 1811-1872
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Charles Baudelaire



Hymne an die Schönheit

Schickt dich der Himmel, schicken Höllengründe,
O Schönheit, dich - als Labsal oder Pein?
Du spiegelst und als Tugend vor die Sünde.
Dein Reiz verwirrt, betäubt wie Feuerwein.

Dein Blick lullt ein und weckt zum Morgenstrahle,
Dein Odem duftet wie Gewitternacht.
Dein Kuss ist Zaubertrank, dein Mund die Schale,
Die Helden schlaff und Knaben mutig macht.

Stammst du von Engeln oder von Dämonen?
Wollust tappt deiner Schleppe hündisch nach.
Du heischt Gehorsam, ohne ihn zu lohnen,
Und teilst nach Laune Segen aus und Schmach.

Hohnlachend kannst du über Leichen taumeln, -
Die Grausamkeit gehört zu deinem Sport.
Bei den Pretiosen, die am Leib dir baumeln,
Hängt als dein liebstes Kleinod frech der Mord.

Dich, Flamme, muss die Motte blind umschwirren, -
Schon halb geröstet, preist sie deine Glut.
So geht's dem Buhlen auch in Liebewirren:
Zum Grab wird ihm das Polster, drauf er ruht.

Steig' aus dem Pfuhl, nah' von geweihtem Orte,
O Schönheit, grausam-holder Rätselgeist, -
Dein Blick, dein Lächeln öffnen mir die Pforte
Ins Unermess'ne, das mich an sich reißt.

Ob Gott, ob Satan dich zum Heerbann zähle,
Was tut es, - wird im Erdenmißgeschick,
Du Glanz, Duft, Wohllaut, Herrin meiner Seele,
Durch dich erträglich nur ein Augenblick!

Charles Baudelaire, 1821-1867
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Paul Verlaine



Empfindsames Gespräch

Im verlassenen Park, dem schaurig kalten,
Sind eben vorbeigehuscht zwei Gestalten.

Ihre Augen sind tot, ihre Lippen sind blaß,
Und was sie flüstern, kaum hört man das.

Im verlassenen Park, dem schaurigen kalten,
Zwei Gespenster von früher sich unterhalten.

"Sag, denkst an die alte Liebe noch du?" -
Warum wollen Sie, dass ich dran denken tu?

"Schlägt noch immer dein Herz bei den Namen mein,
Siehst du noch im Traum meine Seele?" - Nein.

"O unsägliches Glück, das die Liebe uns lieh,
Da wir uns küssten!" - Ach, meinen sie?

"Wie blau war der Himmel, das Hoffen wie groß!"
Das Hoffen ist hin, zum Gewölk dort entflohs.

So schritten durch wilde Halme sie sacht,
Und gehört hat die beiden allein die Nacht.

Paul Verlaine, 1844-1896
Übersetzer: Otto Haendler, 1851-1929



Der Faun

So höhnisch grinst vom Rasengrunde
Der alte Terrakottafaun,
Als wüsst er trüber Tage Kunde
Nach diesen, die zu heiter blaun -

Da noch mein Mund an deinem Munde
Darf hangen, süßeste der Fraun!
Ach, schnell entflieht die selige Stunde:
Wer mag den kommenden vertraun?

Paul Verlaine, 1844-1896
Übersetzer: Otto Haendler, 1851-1929



Cythere

Ein Gartenhäuschen, lichtumflossen,
Hält uns zur süßer Lust umschlossen
In rosenhauchdurchwürzter Luft.

Der Wohlgeruch, der lieblich linde,
Verschwimmt im leichten Sommerwinde
Mit ihres Puders feinem Duft.

Und was ihr Blick verheißen, gilt!
Ihr Busen wirbt, die Lippen sprühen
Und lassen fiebrig mich erglühen.

Doch da die Liebe alles stillt,
Nur nicht den Hunger, muss dazwischen
Sorbet und Naschwerk uns erfrischen ...

Paul Verlaine, 1844-1896
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Edouard Pailleron



Die Furt

Es war ein Bach zu übersteigen,
Wir hatten uns zu weit gewagt.
Sie war so stolz und ich verzagt.
Hänflinge sangen in den Zweigen.

Geh' du voran, den Weg zu zeigen,
Und schau nicht rückwärts! rief die Maid.
Sie löst den Schuh und schürzt das kleid, -
Es war ein Bach zu übersteigen.

Ich tat so, wie sie mir's gesagt,
Und - schielte nur und sah die Wellen.
Den zartesten Elfenfuß umschwellen. -
Wir hatten und zu weit gewagt.

Von Stein zu Stein ging nun die Jagd.
Ich konnte meinen Arm ihr geben,
Doch war das so verfänglich eben. -
Sie war so stolz und ich verzagt.

Da bricht ihr Schwalbenschrei das Schweigen,
Und - wie mir däuchte - wankt ihr Knie.
Mit einem Satz umfass' ich sie, - -
Hänflinge sangen in den Zweigen.

Edouard Pailleron, 1834-1899
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Alphonse Daudet



Eine Feige

Wenn ihr es gern erfahren wollt,
Wie ich erhascht hab' eine Feige, -
Ich künd' es, dass ihr lachen sollt . . .
Wenn ihr es gern erfahren wollt.
Die Liebe ist der Jugend hold,
So sehr sie sich auch naschhaft zeige.
Nun hört, wenn ihr erfahren wollt,
Wie ich erhascht hab' eine Feige.

Mein Oheim zog viel Obst im Land,
Mich aber zog mein liebes Bäschen.
Wir gingen gerne Hand in Hand.
Mein Oheim zog viel Obst im Land,
Es naschten dran höchst arrogant
Die kleinen Vögel, die gefräß'gen.
Mein Oheim zog viel Obst im Land,
Mich aber zog mein liebes Bäschen.

So promenierten wir einmal
In einer frühen Morgenstunde,
Ganz ohne Absicht, ohne Wahl . . .
So promenierten wir einmal.
Und bunte Vögel ohne Zahl
Umträllerten uns in der Runde.
So promenierten wir einmal
In einer frühen Morgenstunde.

Das sang und klang und flog und sprang
Von Busch zu Busch, von Zweig zu Zweigen,
Im Äther und im Laubengang!
Das sang und klang und flog und sprang.
Und Blume selbst und Blattgerank,
Sie wippten lustig wie zum Reigen.
Das sang und klang und flog und sprang
Von Busch zu Busch, von Zweig zu Zweigen.

Mein Bäschen in dem Gartenhut,
Treuherzig, lieblich zum entzücken,
Tanzt mit und tollt voll Übermut, -
Mein Bäschen in dem Gartenhut!
Und mir im Herzen wallt das Blut.
Sie neckt und will mir flink entrücken,
Mein Bäschen in dem Gartenhut,
Treuherzig, lieblich zum entzücken.

Husch! hinter einem Feigenbaum
Versteckt sie sich, - selbst eine Feige!
Es trennt uns nur ein kleiner Raum.
Husch! hinter einem Feigenbaum!
Und ich, voll Glut, erwart' es kaum,
Dass ich mich wonnig zu ihr neige,
Husch! hinter einem Feigenbaum
Versteckt sie sich, - selbst eine Feige.

Ich trete drohend vor sie hin,
Da hab' ich auch schon - meine Feige!
O diese kleine Heuchlerin!
Ich trete drohend vor sie hin,
Mir ist so sonderbar zu Sinn,
Als ob ein Rausch zu Kopf mir steige.
Ich trete drohend vor sie hin,
Da hab' ich auch schon meine Feige!

Und - das ist alles, was geschah.
Ich gab mich mit der Frucht zufrieden.
Wohl etwas stutzig stand ich da,
Und das ist alles, was geschah . . .
So oft ich dann mein Bäschen sah,
Nie ward mir ähnliches beschieden.
Und das ist alles, was geschah. -
Ich gab mich mit der Frucht zufrieden.

Ihr Schönen, ist es euch auch klar,
Wie ich erhascht hab' eine Feige?
Denkt nur nicht etwas andres gar.
Ihr Schönen, ist es euch auch klar?
Was ich erzählte, stimmt aufs Haar,
Wenn ich - das schönste auch verschweige . . .
Ihr Schönen, ist es euch auch klar,
Wie ich erhascht hab' eine Feige?

Alphonse Daudet, 1840-1897
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Sully Prudhomme



Bitte

Ach wüsstest du von meiner Klause
Freudlosem kahlen Einerlei,
Du gingest wohl an meinem Hause
Manchmal vorbei.

Und wüsstest du, wie mancher Jammer
Vor holden Augen sich verlor,
Du blicktest wohl zu meiner Kammer
Manchmal empor.

Und wüsstest du, welch' Segensquelle
Sich mir erschlöß', dich nah' zu sehn,
Du bliebst vielleicht an meiner Schwelle
doch manchmal stehn.

Und wenn dein Herz nur erst erführe,
wie ich dich liebe tief und rein,
Du kämst wohl selber gar zur Türe
Einfach herein!

Sully Prudhomme, 1839-1907
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Seelenkampf

Zwei Stimmen kommen nie zur Ruh',
Der Seelenkampf währt unergründet:
Es gibt Vernunft den Gott nicht zu,
Den Liebe träumt und laut verkündet.

Sei fromm, sei Freigeist, - es ist eins:
Du hast dem Zwist dein Ohr gegeben.
Es ist mein traurig' Los, wie deins,
Mit diesem Widerstreit zu leben.

"Kein Vater leitet diese Welt,"
Sagt der Verstand, der urteilsschroffe,
"Hier wo das Böse recht behält."
Da spricht das Herz: "Ich glaub' und hoffe."

"Mit etwas Liebe kommt man weit.
Hoff' auch und glaub' ihn, den ich preise.
Ich spüre Gott und Ewigkeit!"
Doch der Verstand ruft: "Ja, beweise!"

Sully Prudhomme, 1839-1907
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915



Jean Richepin



Eine Frage

Neckisch nahst du mit der Frage:
Wie viel Tage
Meine Liebe halte Stand,
Und wie oft ich dich noch kose?
Nimm, du lose,
Den Akazienzweig zur Hand.

All die Blätter sollst du pflücken,
Die ihn schmücken, -
Jedes minder zart wie du.
Zähle von den Blättern allen,
Wenn sie fallen,
Eins ums andre, - und schau zu:

Wie viel Blätter noch zu pflücken,
Die da schmücken
Der Akazie Duftgeäst,
Rechn' es nach für deine Frage:
Soviel Tage
Hängt mein Herz an deinem fest.

Jean Richepin, 1849-1926
Übersetzer: Sigmar Mehring, 1856-1915