Italien
Fra Guittone d'Arezzo
Quanto piu mi distrugge il mio pensiero

Den jenes harte Herz mir hat beschworen,
Je tiefer bin ich ach, daran verloren
Und hoffe noch, je mehr die Hoffnung weicht.
Oft sag' ich mir, denn ich erkenn' es leicht:
Die allzu schwere Last erdrückt dich Thoren!
Doch labt mich so das Leid, das ich erkoren,
Dass ich ersehne, was kein Flehn erreicht.
Wer weiß, wenn einer lies't, wie ich geschmachtet,
In meinen Liedern nach so manchen Jahren,
Wird ihn das harte Loos des Sängers dauern.
Und sieht, die jetzt mich so geringe achtet,
Dass mein und ihr Geschick verbunden waren,
Wird sie vielleicht mit Tränen mich betrauern.
Fra Guittone d'Arezzo, 1250-1294
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Dante Alighieri
Auf Beatricens Tod
Weint, Liebende, da Amor selber weint,
Und lasst den Grund mich seiner Trauer sagen:
Kupido hört viel Frauen jammernd klagend,
Aus deren Augen herber Kummer scheint,
Weil der hartherzige Tod als grauser Feind
Zerstört mit eines edlen Herzens Schlagen,
Was auf der Welt den höchsten Ruhm soll tragen
Bei edler Fraun, wenn sichs der Ehre eint.
Hört, welche Ehre Amor ihr bezeugte:
Leibhaftig sah ich ihn, wie er sich beugte
Klagend zur holden schlummernden Gestalt,
Und immer wieder auf zum Himmel schaute,
Wo selig als verklärter Geist nun wallt.,
Die hier als Mädchen unser Herz erbaute.
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934
Tanto gentile e tanto onesta pare
So ganz holdselig scheint, so reich an Sitte
Die Liebste, sieht man sie im Gruß sich neigen,
Dass Zittern jeden Mund befällt und Schweigen,
Und keinem Aug' ein dreister Blick entglitte.
Sie aber geht durch der Entzückten Mitte,
Gekleidet mild in Demut, die ihr eigen.
Da ist's, als ob vor uns vom Himmelsreigen
Ein Wunderbild zur Erde niederschritte.
Sie stellt sich jeden Blick so lieblich dar,
Dass eine Süße dringt durchs Aug' ins Herze,
Die Keiner, der ihr fremd, zu kennen wähne.
Und von den holden Lippen wunderbar
Weht linder Hauch, erfüllt von Lieb' und Schmerze,
Der zu der Seele spricht: Nun seufz' und sehne!
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Vede perfettamente ogni salute
An jedem Heil in Fülle wird sich weiden,
Wer bei den Frau'n sieht meine süße Minne,
Und Jede neben ihr soll Gott bescheiden
Dank sagen, dass sie diese Gunst gewinne.
Denn nicht die Andern regt sie auf zum Neiden,
Nein, solche Kraft wohnt ihrer Schönheit inne,
So Viele sich ihr nahen, zu bekleiden
Mit edler Anmut, Lieb' und treuem Sinne.
Ihr Liebreiz macht ein jedes Herz demütig
Und schmückt nicht sie allein; vielmehr ist Keine,
Die ihr zur Seite unverschönt verbliebe.
Und ihr Gebahren ist so hold und gütig,
Dass, wer bei sich gedenkt an diese Reine,
Erseufzen muss in Süßigkeit der Liebe.
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Con l'altre donna mia vista gabbate
Ihr spottet meines Anblicks mit den Frauen,
Und nicht bedenkt Ihr, Herrin, wie's geschehe,
Dass, wenn ich Eure Schöne vor mir sehe,
Ich selber bin so seltsam anzuschauen.
O wüsstet Ihr's, in Mitleid würde tauen
Das hartverwöhnte Herz vor meinem Wehe;
Denn Amor, trifft er mich in eurer Nähe,
Gewinnt zu seiner Macht so frech Vertrauen,
Dass er die Lebensgeister mir misshandelt
Und die mir tötet, die verjagt behände;
Dann bleibt nur er zurück, Euch zu betrachten.
Da wird denn meine Bildung ganz verwandelt,
Doch nicht so ganz, dass ich nicht schwer empfände
Die Qual der Armen, die im Banne schmachten.
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Spesse fiate venemi nella mente
Mir kommen zu Sinne manche Stund' im Tage
Der dunkle Stand, den Liebe mir ersehen.
Deß jammert mich so bitter, dass ich frage:
"Ach, kann's wohl Andern noch so schlimm ergehen?
"Dass mich bestürmt so jähe Liebesplage,
Als müsst' ich schier von dieser Erde gehen,
Und, ein Gespenst, mein Leben fürder trage!"
(Nur weil es zeugt von Euch, kann es bestehen.)
Dann, mich zu retten, fass' ich mich gewaltsam,
Und so, erblichen, keiner Kraft bewusst,
Begegn' ich Euch, zu heilen meine Leiden.
Und schlag' ich auf die Augen, unaufhaltsam
Hebt ein Erdbeben an in meiner Brust,
Das aus den Pulsen zwingt den Geist zu scheiden.
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Negli occhi porta la mia donna Amore
Die Liebe wohnt im Auge meiner Schönen,
Und lieblich wird, was sie mit Blicken weihte.
Wo sie erscheint, starrt man nach jener Seite,
Und wen sie grüßt, der fühlt's im Innern dröhnen,
Dass sein Gesicht erblasst und er mit Stöhnen
Das Auge senkt, mit seinem Selbst im Streite.
Vor ihr flieht Zorn und Übermut ins Weite:
Ach, helft mir, Frauen, würdig sie zu krönen!
Jedwede Süße wird dein Herz beschleichen
Und alle Demut, horchst du, wenn sie spricht;
Wenn du zuerst sie schaust - o sel'ge Stunde!
Doch wie es ist, wenn sie mit sanftem Munde
Ein wenig lächelt - sag' und fass' ich nicht,
So ist's ein Wunder, herrlich ohne Gleichen!
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Amore e'l cor gentil sono una cosa
Lieb' und ein edles Herz sind Eines nur,
So hörst du schon des Weisen Spruch dir sagen.
Eins darf so wenig fliehn des andern Spur,
Als Menschengeist des Geistes sich entschlagen.
Dem Menschen gibt, will sie ihm wohl, Natur
Amor zum Herrn, die Wohnung aufzuschlagen
Im tiefsten Herzensgrund der Kreatur;
Dort lässt er sich's lang oder kurz behagen.
Schönheit erscheint in klugem Weibe drauf,
Gewinnt die Augen ganz und regt im Herzen
Die Sehnsucht auf nach dem, was sie gewann.
Die hält so lange sich im Innern auf,
Bis dort erwacht ein Hauch der Liebesschmerzen;
Und Gleiches wirkt im Weib ein edler Mann.
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
O vio, che per la via d'Amor passate
Ihr, die ihr wandelt auf der Liebe Fährte,
Wer ist, der mich belehrte,
Ob noch ein Mensch so Herbes muss bestehen?
Ach, dass doch Keiner mir Gehör verwehrte
Und Jedem ich erklärte,
Wie ich ein Schloss und Schlüssel bin der Wehen!
Es ließ mich Amor, nicht nach meinem Werte
Nein, weil sein Herz voll Zärte,
So süß und sanft in diesem Leben stehen,
Dass oft ich mir im Rücken flüstern hörte:
Sagt, dieser Hochgeehrte -
Was tat er nur, dass ihm so hold geschehen?
Nun ward mein Übermut aufs Haupt geschlagen,
Der mich beherrscht, weil solch ein Schatz mein eigen.
Die Stirne muss ich neigen,
So ganz verarmt - ich schäme mich's zu sagen.
Und wie Die tun, die hehlen und verschweigen
Ein schnöd Gebrechen, muss ich mich betragen,
Mich außen fröhlich zeigen
Und tief im Herzen weinen und verzagen.
Dante Alighieri, 1265-1321
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Luigi Carrer
Mitternacht
Nicht mehr fern ist nun die Stunde,
Klopfend schickt das Herz dir Grüße.
Glockenton durchhebt die Runde -
Kannst du schlafen, meine Süße?
Ruft dein Herz dir nicht zurück
Mitternacht und unser Glück?
Gleich dem sanften Ton der Laute
Hör' ich in dem tiefen Schweigen
Jene schüchterne, vertraute
Stimme Derer, die mein eigen.
Ganz so leise tönt zurück:
Mitternacht und unser Glück.
Mögen Geister rings sich regen,
Nur ein süß gedankenvolles
Antlitz dämmert mir entgegen,
Und das Wort, so nah erscholl es,
Und mich grüßt ein Liebesblick:
Mitternacht und unser Glück.
Wahrer Liebe, weltgemieden,
Kommt die dunkle Nacht zu Statten.
Schweigt die Flur in tiefen Frieden,
Klingen Seufzer durch die Schatten,
Bis die Sonne kehrt zurück:
Mitternacht und unser Glück.
Luigi Carrer, 1801-1850
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Cesare Betteloni
Wo, mein Benacus, sind die frohen Stunden
Wo, mein Benacus, sind die frohen Stunden,
Die du verheißen einst, die ich gedacht
In deiner Ufer Paradiesespracht
Mit ihr zu feiern, der ich treu verbunden?
Die ros'gen Gluten, wenn der Tag entschwunden,
Die Wonnen in des Ölwalds Schattennacht,
Das tiefgeheime Glück, das trunken macht
Zwei Herzen, die in Liebe sich gefunden?
Wo sind die süßen Nächte, wenn der Kahn
Die Wellen sucht, die schluchzend ihn umspielen
In des vertrauten Mondes Silberschein?
O tote Hoffnung! Auf andrer Bahn
Fährt sie nun einsam hin, nach andern Zielen,
Und weder Ross noch Barke holt sie ein!
Cesare Betteloni, 1808-1858
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Es schwamm der Mond durch hohe Himmelsräume
Es schwamm der Mond durch hohe Himmelsräume,
Und unser Kahn durchschnitt die stille Flut,
Die schimmernd wie gediegnes Silber ruht',
Umblitzt vom Funkenspiel der Wellenschäume.
Wie leuchtet' hell durch unsrer Wimpern Säume,
Geliebtes Herz, der Seelen tiefe Glut!
Ach, solch ein Anblick macht Alles gut,
Und alle bittren Schmerzen scheinen Träume.
Da plötzlich wühlt empor die sanften Wogen
Ein Sturm und peitscht den See mit mächt'gen Schwingen,
Ringsum verlöschend jede Sternenspur.
Du hattst mich bebend an dein Herz gezogen,
Zusammen will der Abgrund uns verschlingen -
O Glück! - Da wacht' ich auf: - ich träumte nur!
Cesare Betteloni, 1808-1858
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Francesco dall' Ongaro
Uns anzureden haben wir vermieden
Uns anzureden haben wir vermieden,
Und doch wohl nicht in Allen schwieg das Herz.
Und so bin ich und so seid ihr geschieden,
Und Keiner fühlte Reue, fühlte Schmerz.
Ihr konntet nicht im tiefsten Herzen lesen
Des Nachbarn, der so trüb und ruhelos.
Ihr batet Gott vielleicht: Lass ihn genesen!
Vielleicht missgönntet ihr ihm gar sein Loos.
Ich wusste nur von euren fleiß'gen Mühen,
Die Namen kannt' ich und der Stimmen Klang,
Des Mitleids Ruf, des lauten Zorns Erglühen,
Das Wimmern, das ein Lied zur Ruhe sang;
Und dacht' im Stillen: Von wie mannichfachen
Herztönen bebt die Luft um mich herum!
Nur Gott kann sie versöhnt erklingen machen,
Der Lachen schuf und Weinen sich zum Ruhm.
Francesco dall' Ongaro, 1808-1872
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Ein andres Antlitz morgen
Ein andres Antlitz morgen
Wird hier vor euch erscheinen,
Wer weiß, mit euch zu weinen,
Zu lachen eurer Sorgen.
Ein Herz vielleicht, das schweres
Leid, gleich dem euren, trifft,
Ein müdes oder leeres,
Voll Balsam oder Gift.
Ihr Blumen welche Hände
Werden um euch sich mühen?
An welcher Brust am Ende
Sollt welkend ihr verglühen?
Ade, du trautes Zimmer,
Mein Gärtchen, hold erblüht!
Ade vielleicht für immer,
Blumen, Lachen und Lied!
Francesco dall' Ongaro, 1808-1872
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Emilio Praga
Und da ich mit dir ging ...
Und da ich mit dir ging, du blasses Kind,
Mein Herz war wie ein Kirchlein voller Glocken.
Das klang so lind,
Und wie ein Wald, drin tausend Vögel locken,
War diese Herz, das immer sehnt und sinnt,
Heut, da ich mit dir ging, du blasses Kind.
Die Messe sang ein Cherub, lichtbeschwingt,
Und Tauben nisteten und Nachtigallen.
Wie lieblich blinkt
Das reine Weiß, wie süß des Weihrauchs Wallen,
Wie Brot und Wein so voller Gnaden winkt,
Wenn leis ein Cherub drin die Messe singt!
Emilio Praga, 1839-1875
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Bernardino Zendrini
Noch kann ich auf die Hoffnung nicht verzichten
Wenn deine Augen still auf mir verweilen,
Erwacht in meines Herzens tiefstem Grunde
Ein alter Reim, zwei unscheinbare Zeilen,
Die einst ein Freund mit las in ernster Stunde.
Er las sie zu Pavia mir, im schlichten
Studentenstübchen, wohl gedenkt es mir:
"Noch kann ich auf die Hoffnung nicht verzichten,
Zu leben und zu sterben einst mit dir!"
An dieser Hoffnung klammert sich die Seele
Noch scheiternd an, von Stürmen umgetrieben.
Kein Stern mehr winkt, den ich zum Führer wähle,
Der eine Traum nur ist mir treu geblieben,
Von ihm nur spricht mein Denken und mein Dichten,
Wie Duft die Blume haucht im Lenzrevier:
Noch kann ich auf die Hoffnung nicht verzichten,
Zu leben und zu sterben einst mit dir.
Ach, aller andern konnt' ich mich entschlagen,
Dass kaum ein leiser Schmerz in mir sich bäumte,
Ja selbst dem Paradiesesglück entsagen
Der großen Zukunft, die der Knabe träumte.
Jetzt heft' ich meinen Sehnsuchtsblick mit nichten
Auf die versagte grüne Lorbeerzier,
Nur auf die Hoffnung kann ich nicht verzichten,
Zu leben und zu sterben einst mit dir.
Nie schwand sie ganz. Und ward sie jemals schwächer,
Ein freundlich Wort, ein Blick, der mich getroffen,
Ein Lächeln nur, ein Winken mit dem Fächer -
Und gleich aufs Neu' entloderte mein Hoffen.
Es spielt um mich in hellen Traumgesichten,
Und sollen sie mich trügen für und für:
Noch kann ich auf die Hoffnung nicht verzichten,
Zu leben und zu sterben einst mit dir.
Denn muss ich auch, wenn Andre dich umfassen
Und stolz im Reigen dir zur Seite gehn,
Ich Ärmster, fern von dir zur und glückverlassen,
In Jedem den erwählten Liebsten sehn:
Bis zum Altar sich deine Schritte richten
an eines andern Arm, vorbei an mir,
Kann auf die Hoffnung nimmer ich verzichten,
Zu leben und zu sterben einst mit dir!
Bernardino Zendrini, 1838-1879
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Du sprachst: Verlass mich nicht!
Der Mond ging auf. Es glitzerten die Wogen
In seinem Strahl. Vom weiten Uferring
Kam schmeichelnd süßer Blütenduft geflogen,
Wie, oder war's dein Hauch, der mich umfing?
Rings lag dein schöner See im Dämmerscheine,
Ich ließ die Ruder müßig ruhn im Boot.
Da senktest du die Augen tief in meine
Und sprachst: Verlass mich nicht; es wär' mein Tod!
In jener Nacht sah ich im Traum erschrocken
Ein schönes totes Weib, weiß ihr Gewand,
Ein duft'ger Blumenkranz in ihren Locken,
Ein kleines Bildnis in der kalten Hand.
Seit dem hat man dich stets mit mir gesehen,
Schuf auch dein Kaltsinn oft mir bittre Not;
Doch wollt' ich einmal früher von dir gehen,
Sprachst du: Verlass mich nicht; es wär' mein Tod!
Nein, hör mich an. Nach Liebe, Licht und süßen
Gefühlen schmachtet tief ein junges Herz;
Du aber sprichst mir nur von Sterben müssen
Und lebst so frisch und rot und voller Scherz.
Mit einer Träne stärke mir den Glauben,
Der mehr und mehr mir zu entschwinden droht.
Doch du, um jeden Zweifel mit zu rauben,
Sprachst nur: Verlass mich nicht; es wär' mein Tod!
Ein andres Leben, hellere Gestirne
Erhofft' ich mir und strebt' empor voll Muth.
Es starrt der Pfad von Dornen, und die Stirne,
Die Lorbeern träumte, wird betrieft mit Blut.
Die Flügel sehnt mein Geist sich zu entfalten
In freierm Horizont, als hier sich bot;
Doch du, Geliebte, um mich festzuhalten,
Sprachst: O verlass mich nicht: es wär' mein Tod!
Was dann geschehn, du weißt's. Seit sieben Wochen
Irr' ich allein umher in düstrem Groll
Und denk an Herzen, die Verrat gebrochen,
Und meines blutet, das dich missen soll.
Allein Gottlob! wie ich vorbeiging heute,
Hört' ich dich lachen, - du bist frisch und rot!
Aus diesem Lachen klang kein Grabgeläute -
Und doch -"Verlass mich nicht; es wär' mein Tod!"?
Bernardino Zendrini, 1838-1879
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Glänzendes Ziel
Abend wird's. Im Sterngeflimmer
Schwimmt das Meer mit leisem Beben.
Wohin führt der helle Schimmer?
Wohin lockt er, süßes Leben?
Ach, und wenn die Bahn so helle,
Kann das Ziel uns dunkel sein?
Komm nur! In den Glanz der Welle
Tauchen wir die Ruder ein.
Sterne, die im Blau erscheinen,
Grüßen aus dem Grund dem feuchten;
Sterne rings umher, und einen
Seh' ich dir im Auge leuchten.
Ruder ein! Im Glanzgewimmel
Leise schaukle sich der Kiel.
Liebste, sieh, wir sind im Himmel!
Küsse mich! wir sind am Ziel.
Bernardino Zendrini, 1838-1879
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Iginio Ugo Tarchetti
Sie war so klein, so zierlich und zerbrechlich
Sie war so klein, so zierlich und zerbrechlich,
Fast liebt' ich nur aus Mitleid das Geschöpfchen.
Auf zarten Schultern saß ein Engelsköpfchen,
So transparent und schwärmerisch und schwächlich.
Mit Beten unterhielt sie sich hauptsächlich.
Nachts schlief sie kaum vor Angst, das arme Tröpfchen,
Tags füllte sie mit Näscherei'n ihr Kröpfchen
Und sprach: Dich, Süßer, lieb' ich unaussprechlich.
sie war vom feinsten Zartgefühl besessen,
Musst' über Alles weinen gleich und lachen
Und lebte nur von Kuchen und Caressen.
Und doch - dies Blümchen, kaum erst im Entfalten,
Hat meine starke Jugend elend machen
Und in der Brust das Herz mir können spalten!
Iginio Ugo Tarchetti, 1839-1869
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Lorenzo Stecchetti (Olindo Guerrini)
Es war im Winter, spät, allein wir Zwei
Es war im Winter, spät, allein wir Zwei
Am Feuer des Kamins, still und verlegen.
Wir sprachen, wie verliebte Schüler pflegen,
Vom Wetter nur und wurden rot dabei.
Sie beugte tief sich auf die Stickerei,
Zur Decke starrt' ich, ohne mich zu regen.
Doch sahn wir unser leisestes Bewegen,
Als ob geheftet Aug' in Auge sei.
Ich dachte: Nur ein Lächeln zu erlangen,
Würd' ich mein junges Herzblut gern verschwenden
Und meines Geistes schönste Blütentriebe.
Da stand sie plötzlich auf mit bleichen Wangen,
Fuhr in die Locken mir mit beiden Händen
Und hauchte: Weißt du auch, dass ich dich liebe?
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Nun endlich! Morgen wird sie kommen!
Nun endlich! Morgen wird sie kommen! wie
Wird mir der Tag so tödlich lang erscheinen!
Bei jedem Ton im Hausflur werd' ich meinen,
Nun schon herauf die Stufen husche sie.
Ja, sie wird kommen! Warum bebt mein Knie,
als ging' ich noch zur Schule mit den Kleinen?
Wenn nur bis morgen Alles bleibt im Reinen,
Die Mutter nur nichts merkt! Sonst kommt sie nie.
Doch ruft mir Etwas zu im Herzensgrunde:
Sie kommt gewiss! - O süßer ist die Feier,
Je länger man geharrt der großen Stunde.
Im ersten scheuen Kusse unterm Schleier!
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Wenn erst der Wald entlaubt wird von den Winden
Wenn erst der Wald entlaubt wird von den Winden,
Gehst du zum Friedhof, Trauer im Gemüt,
Und wirst mein Grab in einem Winkel finden,
Von vielen dunklen Blumen überblüht.
Die ließ mein Herz erblühn; du sollst sie pflücken,
Dein schönes blondes Haar damit zu schmücken.
Die Lieder sind's, die ich nicht aufgeschrieben,
Die Liebeworte, die verschwiegen blieben.
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Ich spielte den Moralisten
Ich spielte den Moralisten,
Mein Kind, und bin's nun müd.
Uns Beiden ist aus dem tristen
Schulmeistern Nichts erblüht.
Nach Liebe trug ich Gelüsten,
Von Lust nur warst du erglüht,
Und unter den weißen Brüsten
Vermisst' ich ein wenig Gemüt.
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Ein Leierkasten auf der Straße klingt
Ein Leierkasten auf der Straße klingt,
Ins offne Fenster fällt der Abendschimmer.
Ein sanfter Hauch des frühen Lenzes dringt,
Vom Feld heraufgeweht, mir in das Zimmer.
Weiß nicht, warum mir so die Knie beben,
Weiß nicht, warum ich musste weinen eben.
Da sitz' ich stütz' die Stirne mit der Hand
Und denk' an dich, hinaus ins ferne Land.
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Im weichen, feuchten Hauch des Windes schwammen
Im weichen, feuchten Hauch des Windes schwammen
Die kräft'gen Düfte frischgepflückter Auen.
Den Hügel dort erstiegen wir zusammen,
Indeß die Grille zirpt' im Abendtauen.
Dein taubensanftes Aug' hattst du erhoben,
Wie im Gebet verstummt, zum Himmel droben.
Und ich, der las in deiner Seele Grunde,
Um dies Verstummen liebt' ich dich zur Stunde.
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
O Weißdornblüte
O Weißdornblüte, die im Schatten hier,
Du armes Blümchen, musst verborgen stehen,
Wie meiner Liebe traurig geht es dir,
Wie meine Liebe blühst du ungesehen.
Kein Sonnenlächeln glänzt in dein Revier,
Und zwischen Dornen musst du früh vergehen,
Wie ohn' ein Hoffnungslächeln welk und trübe
Auch meine Liebe stirbt - die arme Liebe!
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Sie sprach: Nie bist du lustig, süßer Freund
Sie sprach: Nie bist du lustig, süßer Freund,
Nie kniest du, oder sprichst von heil'gen Sachen.
Sag, warum stets dein Blick so düster scheint,
So höhnisch klingt und schaurig kalt dein Lachen?
Und ich: Der Zweifel, Kind, der böse Feind,
Hat nie dein blondes Haupt erzittern machen.
Ich hab' ironisch lächelnd Viel verneint,
Seit ich zuerst den Zweifel fühlt' erwachen.
Sie sprach: So glaubst du nicht an Jesus Christ,
Und dass dir ein Schutzengel war gegeben,
Und jede Hoffnung scheuchst du weg mit Spotte?
Und ich: Ich weiß, dass du mein Engel bist,
Mein Glaube, meine Hoffnung, liebstes Leben.
sprich mir von Liebe, nicht vom lieben Gotte!
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Ich sprach zum Herzen, meinem armen Herzen
Ich sprach zum Herzen, meinem armen Herzen:
Warum dies bange Leid, dies trostlose trübe? -
Da sprach's: Der Liebe Tod soll ich verschmerzen.
Ich sprach zum Herzen: Musst dich denn ergeben
Ins Hoffnungslose, wenn dir starb die Liebe. -
Da sprach's: Wer nicht mehr hofft, der kann nicht leben.
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Fluch dir, o Lenz, und deinem Heuchelglücke!
Fluch dir, o Lenz, und deinem Heuchelglücke!
Im Winter durch die kahlen Linden immer
Sah ich am Fenster sie, allein im Zimmer,
Mit mir liebäugeln über ihr Gestricke!
Uns mit den Augen küssend, heiße Blicke
Tauschten wir tagelang bis zum Abendschimmer,
Unschuldig Spiel! Das Laub verwehrt' es nimmer -
Ach, dass die Zeit so eilt, ist reine Tücke.
Nun kehrt zurück die schadenfrohe Sonne
Und schmilzt den trauten Schnee, und eine süße
Mailuft umspielt das junge Laub voll Wonne.
Ein dichter Blätterschleier senkt sich nieder,
Grausames Astwerk raubt mir ihre Küsse -
Verwünschter Lent! O, warum kamst du wieder!
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Wir liebten uns, vom Sonnenschein umflossen
Wir liebten uns, vom Sonnenschein umflossen
Im blauen Junimond, im blonden Feld;
Dort jene Eichen breiteten ihr Zelt,
Holde Bacchantin, über deine Possen.
Ins süßeste und frömmste Wort ergossen
wir unsre Lieb', und was die prüde Welt
Ängstlich verbirgt, wir haben's unverstellt
Dem Flammenaug' des hellen Tags erschlossen.
Nun ward es Herbst, nun kehren wohl die Raben
In langem Schwarm zurück zu unserm Wald,
Den wir zusammen oft durchwandelt haben.
Ach, im Oktober wieder rau und kalt
Seh' ich die Blätter von der Eiche schweben:
Dein Lieben hatte nur ein Sommerleben!
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Wir hatten diese Nacht ein Boot bestiegen
Wir hatten diese Nacht ein Boot bestiegen
Und fuhren weltvergessen hin im Wind
auf hoher See, in seligem Genügen
Uns sagend, was die Liebe nur ersinnt.
Von Wollustwonne fühlten wir uns wiegen
In Träumen, wie das Herz sie gerne spinnt,
Indeß die Lippen länger nicht verschwiegen
Liebesgeheimnis, die Sünde sind.
Da, wie vor einem Graungedanken, stocken
Die Worte plötzlich ihr. Das Haupt, das blonde,
Hebt sie von meiner Schulter jäh erschrocken.
Und seltsam fest den Blick hinausgespannt
In nächt'ge Weiten, nicht erhellt vom Monde:
Still! raunt sie; siehst du dort nicht Lissa's Strand?
Rimini, Juli 1869
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Ich werde sterben
Ich werde sterben. Denn schon naht beschwingt
Mein letztes Stündlein, da die Zeit verrann.
Die schwarze Grube, die mein Fleisch verschlingt,
Hat gähnend schon die Kiefern aufgetan.
Wenn Alles dann der Frühling wiederbringt -
Ich kehre nimmer. Mir zu Häupten dann
Aus meinem einst so stolzen Staube dringt
Bescheiden nur ans Licht der Majoran.
Komm, Liebste, dann, dein Treuer lädt dich ein,
Und pflück auf meinem Hügel stillbewegt
Dein Lieblingskraut, entsprossen meinem Leben.
O gönn ihm einen Kuss, und mein Gebein,
Wie's lebend einst bei deinen Küssen pflegt',
Im Grabe noch wird es vor Liebe beben.
Rimini, Juli 1869
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Komm, o Nerina!
Komm, o Nerina! Wiege dich
Auf meinen Knie'n mit Lachen,
Während im heißen Auge dir
Funken der Luft erwachen.
Komm, und den Hals umstricke mir
Fest mit den sanften Armen,
Dass mein Gesicht sich bergen mag
An deiner Brust, der warmen.
Mag aus der Erde Tiefen nun
Grause Vernichtung rauchen,
Himmel zerbersten und wiederum
Welten ins Chaos tauchen:
Sei's drum! Wenn ihr auf die Lippen mir
Unter des Weltsturms Wettern
Süß du pressest den Rosenmund,
Trotz' ich dem Tod und den Göttern.
Olindo Guerrini (Pseudonym: Lorenzo Stecchetti), 1845-1916
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Mario Rapisardi
Enttäuschung
Durch Berg' und Klüfte eilte sie dahin,
In steter Unrast meine Liebe schürend,
Für Andre Weib, mir Göttin, Königin,
Mich ewig täuschend, ewig neu verführend.
Ihr Kuss allein schien mir ein Hochgewinn;
Ich folgt' ihr, keines Wetters Unbill spürend,
Und sie - gemeinem Volk gab sie sich hin,
Zum Ziel des Hohns nur meine Treue kürend.
Doch eines Tags hielt sie mir stand und kehrte
Die kalte Stirn mir zu, wie aus Erbarmen
Mit mir, der fast verging in Angst und Not.
Da bin ich! sprach die ach, so Heißbegehrte.
Komm! Ich bin dein. Ruh aus in meinen Armen!
Du dachtst, ich sei der Ruhm; ich bin der Tod.
Mario Rapisardi, 1844-1912
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Girolamo Ragusa Moleti
Indeß die Schwalbe rasch vorüberfliegt
Indeß die Schwalbe rasch vorüberfliegt,
Entfällt ihr eine Feder
Und taumelt langsam schwebend niederwärts.
Und eh sie unten anlangt,
Wer weiß, wo schon der Vogel
Vergnügt in fernen Bächen
Sich spiegelt! Nicht bemerkt' er,
Dass ihm entfiel die Feder,
Wie du nicht merkst, dass längst in leichtem Spiel
Die Liebe dir entfiel.
Girolamo Ragusa Moleti, 1851-1917
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Fast tagt' es schon
Fast tagt' es schon, und durch den Weinberg ging
Der Schatten einer bösen
Wolke, die droben hing
Und eine große schwarze Kinderschar
In kurzer Frist aus ihrem Schoß gebar.
Ganz deckten sie den Himmel,
Und nicht mehr sah das Blau
Hervor durch ihr Gewimmel.
Ich, da ich in Gefahr den Weinberg sah,
Beugte die Knie' und flehte,
Indem ich aufwärts spähte:
O gnädigste Frau Wolke,
Verschonet doch, ich bitt' euch,
Die Trauben hier, die so viel Freude bergen,
die erst von hier zur Kelter wandern soll,
Aus dieser in die Tonne,
Und aus der Tonne dann in unsre Herzen,
Die sie so nötig haben,
Die Sorgen zu verscheuchen
Und schönen Traum zu träumen.
Seht, neben diesen Weinberg ist ein Ölwald
Mir schönem Laub, und mag man
Mit seinem Öl auch den Salat bereiten,
Ich zaudre nicht, Frau Wolke,
Auf diese leckre Speise
Gleich zu verzichten, kommt es
Dem Traubensaft zu gut,
Der purpurn meiner Liebsten Wange färbt
Und schafft, dass sie mir was zu Liebe tut.
Girolamo Ragusa Moleti, 1851-1917
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Edmondo de Amicis
Abendröte der Liebe
Ich seh' dich schon in unsern alten Tagen, Wenn deine Locken weiß geworden sind. Mit ihren weichen Ringeln spielt der Wind, Und einen Strauß wirst du im Gürtel tragen. Vom Lesen blick ich auf, um dir zu sagen: Ich liebe dich, und du bist reizend, Kind! - Dann lächelst du und eilst hinweg geschwind Und sagst, ich soll vernünftig mich betragen. Und wenn wir schlendern in der Abendfrische, Sehr langsam, räum' ich dir mit meinem Stabe Die Steine fort, zum Ritterdienst noch tüchtig. Ein achtzigjähr'ger Pfarrer kommt zu Tische. Er hat das Podagra, der alte Knabe; du bist vergnügt und ich bin eifersüchtig.
Edmondo de Amicis, 1846-1868
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914
Junge Liebe (Fra cugini)
Ich ging noch in der Jacke, Lena im kurzen Kleide,
Lena war blond und reizend, nicht garstig schien ich ihr.
Noch schrieben wir zuweilen unorthographisch Beide,
Mein Griechisch malträtirt' ich und Lena ihr Klavier.
Wie unter Spiel und Singen die vorschnell jungen Flammen
Entbrannt im stillen Herzen, ich weiß es nicht fürwahr.
Im dunklen Zimmer stießen wir laufend einst zusammen;
Seit jener Stunde waren wir ein verliebtes Paar!
O schöner schatt'ger Garten! Wie dort, statt mich zu quälen
Mit den verhassten Büchern, mein Herz in Wonne schmolz,
Konnt' ich an ihrem Händchen die feinen Adern zählen,
Demütig wie ein Page und wie ein König stolz!
Du liebes blaues Kleidchen, mit Sternen übergossen,
All deiner tausend Fältchen gedenk' ich bis zum Grab.
Des frischen Mädchenduftes, der ihren Arm umflossen,
Der Locke, die ihr golden hing bis ans Herz hinab.
Und einst sah ich im Fluge im schatt'gen Laubengange
Ihr weißes Knie, das runde (es blies der Wind mit Macht).
Ich zittert' und errötet' und floh und habe lange
Tiefsinnig diesem großen Geheimnis nachgedacht.
Seit jenem Tag ergoss sich in Liedern meine Seele,
Ich las ihr jeden Abend Gedichte seitenlang.
Die allerschlechsten Verse - sie fand sie ohne Fehle,
Stolz, dass ihr Junger liebster so herrlich sie besang.
Doch dann an meiner Schulter wie auf ein Ruhekissen
Das Köpfchen lehnend, sprach sie gedämpft in tiefem Harm:
Was hilft uns alle Liebe? Jung wird' ich sterben müssen! -
Und schälte weinend eine Orange mir im Arm.
Wirst du mich freien? fragte sie einst in tiefem Sinnen.
Und ich: O Lena! schwur ich, bei Gott nur du wirst mein!
Hab' ich ein amt, so wer' ich zur Gattin dich gewinnen,
Wo nicht, soll ganz Italien mich des Verrats zeih'n! -
Einst wollten wir die Flamme begraben tief in Asche
Und schwuren weinend: Morgen gibt Jedes sich den Tod!
Mein Mühmchen wollt' ihn trinken aus einer Tintenflasche,
Ich mit Papa's Stockdegen kühn enden alle Not.
Doch war am nächsten Tage ein Fest in der Familie,
Zum "großen Kaffee" führte Mama uns alle Zwei,
Und dort - vor dem Gefrornen (ein Creme a la vanille)
War's mit der Todessehnsucht und unserm Schwur vorbei.
Und denkst du noch des Tages, da wir den Eltern grollten
Und in dem Atlas blätternd, beschlossen zu entfliehn,
Und wie wir nur in England ein Grab uns suchen wollten,
Weil Englands ros'ge Farbe so reizend uns erschien?
Entsinnst du dich, wie eifrig Romane wir studierten,
In Worten und Gebärden den Helden gleich zu sein,
Wie wir nur kleine Bissen bei Tisch zum Munde führten,
Als däuchte grobe Nahrung brutal uns und gemein?
Und wie wir endlich, müde der elfenhaften Mahle,
(Wir konnten kaum vor Hunger noch auf den Füßen stehn)
Ein Jedes sieben Brötchen verschlang mit Einem Male
Und suchten ohne Lachen uns dabei anzusehn?
Und jenen Regentages, wo wir die Flucht genommen
Zum flachen Dach, uns bergend vor strengem Mutterblick,
In deinem blauen Schal uns einmummten, süß beklommen,
Dort wioe im warmen Nestchen ausbrütend unser Glück?
Und wie du einst, als littest du ein verschwiegnes Wehe,
Die Stirn gesenkt, dich hieltest im Schatten an der Wand,
Dass Niemand meines Kusses purpurnes Brandmal sähe,
Das auf dem weißen Hälschen wie eine Blume stand?
Und wie dein grimmer Vater, da er mich in den Büschen
Einst fand an deiner Seite, ganz unerwartet rief:
Nimm dich in Acht, du Schlingel! Sollt' ich dich je erwischen -
O jener Tag! Noch weiß ich, wie hurtig ich entlief!
O meine Engels-Lena! Unwirsch und müd' entrann ich
Des alten Herrn Professors tabakbefleckten Klau'n,
Doch aus befreitem Herzen zu jauchzen hell begann ich,
Durft' ich nur aus der Ferne ihr weißes Schürzchen schau'n.
Und kam die Nacht, so flog ich mit schwermutsvollen Sinnen
Verstohlen auf den Zehen zu der verschlossnen Tür.
Das Schloss küsst' ich von außen und Lena küsst's von innen,
Und meine Seufzer sandt' ich durch Schlüsselloch zu ihr.
Und manchmal auch, als ob sie mir plötzlich böse wäre,
Mit ihren Kinderhändchen stieß sie mich flehend fort:
Um Gotteswillen! raube mir ja nicht meine Ehre! -
Und band ein Tuch ums Hälschen und barg den Fuß sofort.
Einst sagt' ich ihr: O wenn ich im Flug nur dich erhasche,
Ein Strom geheimer Düfte berauscht mir dann den Sinn. -
`s ist ein Parfüm, versetzt sie, für einen Franc die Flasche! -
Und hielt ihr weißes Schnupftuch zum Riechen flugs mir hin.
Auch frug sie wohl im Ernste: Kann ich dir ganz vertrauen?
Gehört ein jeder Tropfen von deinem Herzblut mir?
Liebst du nicht andre Mädchen? schielst nie nach schönen Frauen?
Nicht eine einz'ge Untreu' beging ich je an dir! -
Oft ist sie den Gespielen stumm und verträumt erschienen
Und tat, als wandle heimlich ein großes Leid sie an;
Und auf der Schulbank saß ich und zeigt' in meinen Mienen
Die Langweil' eines alten blasierten Don Juan.
So unter Lachen, Weinen, Liebkosungen und Schwüren
Entfloh ein Jahr des Glückes uns Beiden blitzgeschwind.
Wir zählten, bis zur Kirche die Braut ich würde führen,
Voll Ungeduld die Tage, doch stolz und treu gesinnt.
Dann kam ein Tag - und unsanft ward ich hinweggetrieben,
Des süßen Mägdleins Vater verbannte mich von ihr.
Ach! unser holdvertrautes, geheim gepflegtes Lieben
Zerriss ein grauses Schicksal, und elend wurden wir.
Geheim? Ach nein! Vor Allen, in jenen Trennungswehen,
Verriet ich mein Geheimnis und schluchzt' es laut hinaus.
Wie rau Papa sein Drohwort ließ in Erfüllung gehen -
Nein! breiten wie den Schleier des Mitleids drüber aus!
Edmondo de Amicis, 1846-1868
Übersetzer: Paul Heyse, 1830-1914