Altindien



Szivadasas Vetalapantschavinßati



Liebesgedichte Altindien Frauenlob

Wer heiß ein Weib umschlungen hält,
Genießt die höchste Lust der Welt,
Der schlürft, was die Unsterblichkeit
Und ewige Jugend und verleiht,
Weil aller frommen Werke Ziel
Errungen wird im Liebespiel.
Von allen Perlen licht und rein
Die schönste ist das Weib allein,
Nur ihrethalb man Gut gegehrt -
Kein Gut hat ohne Frauen Wert.

Gott hat die Frauen uns gemacht
Als selige Schätze seliger Nacht,
Als Schalen süßer Nektarflut,
Gefüllt mit aller Freuden Glut.

Wer nie umschlang ein Liebchen warm
Mit weichen Gliedern, weichem Arm,
Mit holdem Lotosangesicht
Wie die Sirischablume licht,
Mit Brüsten rund und voll und fest,
Die aneinander enggepresst;
Wer nie gekostet liebekrank
Der Bimbalippen Zaubertrank,
Nie schmeckte Weibesnektar hier -
Der lebt auf Erden wie ein Tier.

Ein Weib, an Liebe sanft und weich,
Macht diese Welt zum Himmelreich;
Doch wem ein böses Weib beschert,
Hat schon die Hölle auf der Erd!

Szivadasas Vetalapantschavinßati, um 1100 v. Chr.
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Bhartrihari



Was ist lieblich anzuschauen?

Was ist lieblich anzuschauen?
Liebchens holder Lächelmund.
Was doch gibt, als ihre Worte,
Süßer sich dem Ohre kund?
Was ist süßer noch zu kosten,
Als ihr saftiger Lippenzweig?
Wessen dächte man noch lieber,
Als der Jugend voll und reich?
Was ist süßer zu berühren,
Als ihr stolzer schlanker Leib?
Ja, was reizte aller Orten
Mehr noch, als ein holdes Weib?

Bhartrihari, um 100 v. Chr.
Übersetzer: Albert Höfer, 1841/44



Flieht die Liebe!

Flieht die Liebe! also predigt
Und der Mund der Vedamurmler.
Leicht gepredigt - aber fliehe,
Wers vermag, den Schoß der Holden!

Bhartrihari, um 100 v. Chr.
Übersetzer: Albert Höfer, 1841/44



Auf zwei Wegen

Auf zwei Wegen kann in dieser
Eitel Welt man Heil erlangen,
Und auf beiden ist schon Weisen
Im Genuss die Zeit vergangen:
Zog sie nach der Wahrheit süßem
Nektartranke kein Verlangen,
Hielten sie mit Wonneschauern
Dann ein holdes Weib umfangen.

Bhartrihari, um 100 v. Chr.
Übersetzer: Albert Höfer, 1841/44



Kein andres Glück

Kein andres Glück mag hier auf Erden
Als nur durch Frauenlieb uns werden;
Doch auch als tiefsten Elends Grund
Tu ich euch Frauenliebe kund.

Bhartrihari, um 100 v. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Wo du nicht bist

Wo du nicht bist und deiner Augen Schimmer,
Ists dunkel mir;
Auch bei der Kerzen strahlendem Geflimmer
Ists dunkel mir;

Selbst bei des Herdes traulich stillen Flammen,
Ists dunkel mir;
Wo Mond und Sterne leuchten hell zusammen,
Ists dunkel mir;

Der Sonne Licht vermag mich nur zu quälen, -
's ist dunkel mir;
Wo du, mein Reh, und deine Augen fehlen
Ists dunkel mir.

Bhartrihari, um 100 v. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Kalidasa



Bäume die voll Blüten hangen

Bäume die voll Blüten hangen,
Teiche, die voll Lotus prangen,
Weiber, lustberauschte,
Winde, duftumrauschte,
Tage, mild und sonnig,
Abendstunden, wonnig,
Alles ist, du trauter Herzensdieb,
Uns im Frühling wert und lieb!

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Friedrich Rückert, 1788-1866



In dem Munde

In dem Munde Beteldüfte,
Um den Busen Perl und Schleier,
Goldnen Gürtel um die Hüfte,
Gehen die Schönen nun zur Liebesfeier.
Legen um die vollen Glieder
Sich ein Seidenkleidchen bunt,
Und ein krokusfarben Mieder
Um der Brüste üppig Doppelrund.

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Friedrich Rückert, 1788-1866



Den Seidengurt ums Hüftenrund

Den Seidengurt ums Hüftenrund geschlungen,
Mit Perlenschnüren Hals und Brust geschmückt,
Und in den Locken Wohlgerüche, haben
Die Schönen ihres Freundes Herz entzückt.
Bei jedem Schritte klirrt die goldne Spange
Am zarten Knöchel, der von Schminke glüht,
Wenn des Flamingos Liebesruf ertönet,
Und Sehnsucht füllt des Liebenden Gemüt.

Und wenn die Hochgebrüstete gelöset
Die schweren Kleider und den Busenflor,
Umschlingen sich die jugendfrischen Glieder,
Und zarte Tropfen perlen dran hervor.
In herrlich duftendem Gemache laben
Sich nun die Liebenden um Mitternacht
Am Weine, kräuseln von der Gattin Atem,
Wenn Sang und Spiel die Sehnsucht angefacht.

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Albert Höfer, 1841/44



Gärten von Jasmin

Gärten von Jasmin wie Weiberlächeln glänzend weiß,
Machen selbst der unschuldvollen Frommen Herzen heiß.
Ist es denn ein Wunder, dass sie uns den Sinn betören,
Die wir nicht geneigt, die Lust und Freude abzuschwören?

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Friedrich Rückert, 1788-1866



altes Indien Liebesgedichte Wenn der Herzgeliebte

Wenn der Herzgeliebte vor mir steht
Und sein Mund so liebe Worte spricht,
Ob zu Augen, ob zu Ohren werden
Alle Glieder dann mir, weiß ich nicht.

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Sie harrt

Sie harrt auf ihren lang schon fernen Gatten;
Und nach dem Pfad, auf dem er kommen soll,
Der Heißgeliebte, blickt und blickt sie wieder,
So weit das Auge reicht; doch als der Tag
Zur Neige geht und Finsternis hereinbricht,

Ist sie des Wartens müd und wendet sich
Betrübt dem Hause zu, dann aber denkt sie:
"In diesem Augenblick ist er gekommen!"
Und wendet rasch den Kopf, - blickt wieder hin!

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Der Liebe Band zerriss!

Der Liebe Band zerriss! Die Freundlichkeit,
Die Ehrerbietung, die die Lieb erzeugte,
Sie sind dahin! Vor meinen Augen bricht
Mein Herzgeliebter auf gleich wie ein Fremder.
So oft ich dessen denk und dann der Tage,
Der holden Tage, die dahin geschwunden,
Begreif ich nicht, warum mein töricht Herz
Mir nicht sogleich in hundert Stücke springt!

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Mein Mädchen

Mein Mädchen ist ein Jägersmann,
Kommt stolz daher gezogen.
Die Augenbrauen schlank und kühn,
die sind des Jägers Bogen.

Die Seitenblicke Pfeile sind,
Sie treffen gar so schnelle, -
Mein Herz das ist die flüchtige
Verwundete Gazelle!

Kalidasa, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Amaru



Die Braue

Die Braue furchet sich geschickt,
Allein das Auge schmachtend blickt;
Das Herz hat sich mit Stolz ummauert,
Allein die Haut des Leibes schauert.
Das Wort des Mundes hemmt der Groll,
Doch glüht die Lippe lächelvoll.
Wie ist es möglich, sich zu fassen,
Wo sich die Männer sehen lassen?

Amaru, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Friedrich Rückert, 1788-1866



Des Auges feuchter Lotus

Des Auges feuchter Lotus tauet,
Der seinen Wunsch entgegenschauet;
Auf Wagenpurpurblumen hin
Streut Lächeln weißlichen Jasmin.
Schweißtropfen auf den Brüsten strahlen
Wie Wasserspend in Opferschalen:
So wird von allen Gliedern beigesteuert,
Damit des Liebsten Ankunft sei gefeiert.

Amaru, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Friedrich Rückert, 1788-1866



Liebe Freundin

Liebe Freundin, lass dir raten,
Darfst nicht so gefällig sein,
Tu nur spröde vor dem Liebsten,
So gewinnst du ihn allein.

Leicht Errungnes schätzt man wenig,
Zeige du dich niemals schwach!
Ist er feurig, tust du kühle,
Und nur leise gibst nach.

Also zum verlieben Mädchen
Die erfahrne Freundin spricht,
Doch es ruft die holde Kleine
Mit erschrecktem Angesicht:

Stille, stille, liebe Freundin,
Sprich mit keiner Silbe fort!
Mir im Herzen wohnt der Liebste,
Und so hört er jedes Wort!

Amaru, um 500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Bilhana



Bis an den Tod!

Bis an den Tod gedenk ich dein,
Du schönste aller Frauen!
Der Erde höchstes Glück war mein,
Da ich dich durfte schauen,
Dein Angesicht, dem Lotus gleich,
Den Leib so süß, so anmutreich -
Und soll es denn gestorben sein,
Bis an den Tod gedenk ich dein
Und sing von deiner Schöne!

Die Königstochter stolz und schön
Hat sich zu mir geneiget,
Mich Armen überreich beglückt,
Mir höchste Gunst erzeiget;
Noch denk ich, wie sie mich umschlang,
Welch seliger Schauer mich durchdrang -
Wie sollt ich ihr nicht dankbar sein?
Mein Lieb, auch sterbend denk ich dein
Und sing von deiner Schöne!

Wenn ich im Geist sie vor mir seh,
Die nie ich kann vergessen,
Wenn alles neu lebendig wird,
Was ich an ihr besessen,
Dann schein ich jetzt mir noch so reich,
Dem Götterkönig Indra gleich,
Dann bin ich glücklich wie ein Held,
Zu dessen Füßen liegt die Welt,
Durch sie allein, die Schöne.

Ich denke deiner, ob auch dort
Sich nahen schon die Schergen,
Ich sing von dir voll Seligkeit
Und kann mein Glück nicht bergen;
Und führt man mich zum Richtplatz hin,
Von dir doch träumet nur mein Sinn;
Und sollt es denn gestorben sein,
Bis an den Tod gedenk ich dein
Und sing von deiner Schöne.

Bilhana, um 1500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Ich und du

"Ich liebe dich, und du liebst mich!"
Wer mag so fades Wort noch sagen?"
"Du bist mein Leben, ich bin deins", -
Das will erst recht mir nicht behagen!
Auch "du bist mein und ich bin dein",
Hat mich, o Radha, nur verdrossen -
Es gibt kein Ich, es gibt kein Du,
Wenn wir uns fest ans Herz geschlossen.

Bilhana, um 1500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920



Panini



Die Grammatik

Ein Neutrum ist das Herz, so hat
Grammatik mich belehrt,
Drum, als es hin zur Liebsten zog,
Hab ichs ihm nicht verwehrt;
Was mag für Unglück denn geschehn,
Wenn Neutra zur Geliebten gehn? -

Doch nun bleibts dort und kost mit ihr
Und will nicht mehr zurück zu mir!
Was tu ich da? Wie schaff ichs fort?
Wie bring ich es zur Ruh?
O Panini, o Panini,
Mein Unglück wurdest du!

Panini, um 1500 n. Chr.
Übersetzer: Leopold von Schröder, 1851-1920